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ser Gedanke des vollen „ L e b e n s z u s a m m e n h a n g e s “ be-
herrscht, wie schon ersichtlich war, durchaus Diltheys gesamte Dok-
trin. Daher sein erkenntnistheoretisches Sichbewußtwerden zur
„umfassenden Selbstbesinnung“ wird. Seine Methode schildert er
folgendermaßen: „Jeden Bestandteil des gegenwärtigen abstrakten,
wissenschaftlichen Denkens halte ich an die ganze Menschennatur,
. . . und suche ihren Zusammenhang. Und so ergibt sich: die wich-
tigsten Bestandteile unseres Bildes und unserer Erkenntnis der
Wirklichkeit, wie eben persönliche Lebenseinheit, Außenwelt, Indi-
viduen außer uns, ihr Leben in der Zeit und ihre Wechselwirkung,
sie alle können aus dieser ganzen Menschennatur erklärt werden . . .
Nicht die Annahme eines starren a priori unseres Erkenntnisvermö-
gens, sondern allein Entwicklungsgeschichte, welche von der Totali-
tät unseres Wesens ausgeht, kann die Fragen beantworten, die wir
an die Philosophie zu richten haben.“
1
Eine solche auf die Bestimmung des Denk- und Evidenzzusam-
menhanges ausgehende Grundlegung der Geisteswissenschaften wird
einerseits Erkenntnistheorie und Logik miteinander verknüpfen,
andererseits ihr Problem streng auf das Gebiet der Geisteswissen-
schaften — wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit vom Natur-
erkennen — einschränken
2
.
Die Einnehmung dieses Standpunktes e r k e n n t n i s t h e o -
r e t i s c h e r Grundlegung ist also die prinzipielle Antwort Dil-
theys auf jene beiden letzten und allgemeinsten Fragen der Sozial-
wissenschaft. Sie bedeutet eine positive Erfassung von Frage 1
(= Problem des Verhältnisses der Sätze der Einzelwissenschaften
zur sozialen Wirklichkeit und untereinander) und eine bedingungs-
weise Skepsis gegenüber Frage 2 (= Problem der Erkenntnis des
Ganzen der gesellschaftlichen Wirklichkeit). In der positiven Erfas-
sung von Frage 1 (das ist in einer erkenntnistheoretischen Grundle-
gung) liegt für Dilthey der Schwerpunkt des Möglichen. Sie bedeu-
tet zugleich den U m w e g , auf dem allein die Bearbeitung von
Frage 2, welche ihm u n m i t t e l b a r nicht bearbeitungsfähig ist,
1
Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, Bd 1, Leipzig 1883,
S. XVII f.
2
Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, Bd 1, Leipzig 1883,
S. 145 ff.