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Zum Abschlusse der Ideenlehre

Wir haben mit prüfendem Verstande von den Ideen geredet und,

wie wir hoffen dürfen, alle Zweifel zurückgeschlagen. Es gibt Ideen,

schaffende Urmächte, die sich uns als Gesichte eingeben; ihre An-

erkennung verwickelt das Denken nicht in Widersprüche.

Aber das Erlebnis der Ideen verblaßte den vergangenen Jahr-

hunderten immer mehr, bis es zuletzt ganz verlorenging. Der

Mensch war alt geworden, das innere Feuer zerstreut und die Seele

verflogen.

Wessen bedarf es, um unsere Zeit wieder jung zu machen, um auch

das Wissen von der Idee wieder zum Leben zu erwecken?

Verjüngung ist Vereinfachung, Vereinfachung ist Zurückgehen

auf sein Wesentliches, auf seine Mitte. Die Mitte des Menschen aber

ist das Übersinnliche.

Damit ist der Mensch schon bei den Ideen angelangt, denn sie

sind es, die sich, selber übersinnlich, im Sinnlichen darstellen.

Die Quellen alles Lebens, an denen Himmel und Erde hängt, sind

jene göttlichen Schöpfergedanken, die seit Platon „Ideen“, das ist

Gesichte“ heißen. Gleich der Lebensfeuchte des Wassers durchdrin-

gen sie die Welt, bauen und gestalten sie als zeugende Mächte. In der

Geschichte sind sie der Geist der Zeiten, im Gemeinwesen sind sie

der Gehalt der Gemeinschaft, dem einzelnen Menschen sind sie die

Eingebung im Denken und künstlerischen Schaffen, im Handeln die

Begeisterung. Sie sind die großen Weltpotenzen, die Götter dieser

Welt, und sie erfüllen die Erde mit Glanz und machen auch uns

gött- / lichen Geschlechtes

1

. Ohne sie wäre die Geschichte sinn-

los, die Gemeinschaft unfruchtbar, unser Geist finster, unser Gemüt

kalt und als Ideenführer ohne Ideen glichen wir dem Könige ohne

Land; wir hätten nichts zu schaffen, da wir auch nicht geschaffen

würden.

Aber wir hätten die Ideen nicht verstanden, wenn wir sie nicht als

1

Paulus: Apostelgeschichte, 17.