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[553/554]

Weise wäre keine Erkenntnis möglich, sondern als befaßt in einer

„Form aller Formen“, wie Aristoteles sagt. Wir sagen, in der Glied-

haftigkeit aller Ideen untereinander.

Dasselbe besagt auch die demokritische Lehre von den Bildern,

Idolen

ί

δωλον

welche von den Dingen in uns eindringen sol-

len. Diese Lehre ist im Grunde nicht materialistisch zu verstehen,

wie dies heute geschieht. (Die Antike kannte die Krankheit des Ma-

terialismus nicht.) Es sind keine äußeren Teilchen, die sich abtren-

nen und ein Abbild ergeben — sofern / dies so gedacht wird, doch

nur als Vorbedingung zur Erweckung des inneren Erkenntnis-

aktes —, sondern innere Bilder — Eingebungen

1

,

είδος

heißt ja

nichts anderes als: Bild; „Idee“,

ίδέα

nichts anderes als: Ge-

sicht. Die Ideen sind die inneren Bilder, die in uns selbst aufleuch-

ten. Auf diese Weise geschieht es, daß Gleiches durch Gleiches er-

kannt wird.

Denselben Sinn hat Platons Lehre von der Wiedererinnerung

(άνάμνησής)

und von der Ideenschau, welche beide so allbekannt

sind, daß von ihnen hier nicht abermals geredet werden soll

2

. Die

Wiedererinnerung durch Lernen ist die der Seele heilsame Be-

wegung, wie Platon sagt

3

, sie ist die Wiedereingliederung in die

hiernieden verdunkelte Ideenwelt. — Das Denken

(λογιστικόν,νους),

dieser göttliche Teil der Seele

4

, ist ihm ein Selbstgespräch der

Seele

5 6

; der Gattung nach sind die Seelen einander gleich

6

. Sie stam-

men aus der „Weltseele“

7

. Und was kann diese anderes sein als der

Inbegriff der Ideen

8

?

Die Scholastik, besonders in ihrer augustinisch-platonischen Rich-

tung, vertrat gleichartige Gedanken. „Gott wird durch Gott er-

kannt in der Seele“, sagt Meister Eckehart, Gleiches durch Gleiches,

cognosco inquantum cognoscor

9

.

/

1

So verstand die Lehre Goethe, vgl. oben S. 211 f.

2

Vgl. Ideenerkenntnis als Wiedererinnerung und Ideenschau, in: Platon:

Phaidon, 74 a ff.; Gastmahl, 210 e ff.

3

Platon: Theaitetos, 153 b.

4

Platon: Timaios, 69 d f.

5

Platon: Sophistes, 263 e: „... die im Innern der Seele mit sich selbst ohne

Stimme stattfindende Unterredung.“

6

Platon: Philebos, 93 b.

7

Platon: Philebos, 30 a.

8

Platon: Timaios, 30 e.

9

Vgl. Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, 38,