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gang des Geistes“, schrieb, „nicht vermessen, neue Wahrheiten den
alten hinzuzufügen“, er will nur die alten neu wirksam machen.
Und er fährt fort: „Es gibt überhaupt keine neue Grundwahrheit in
der Geschichte der Philosophie. Unversieglich sind die Quellen des
Geistes und es sind immer dieselben Urgedanken, die er ans Licht
bringt. Was wir vermögen, ist lediglich, die alten Wahrheiten so
auszusprechen, wie sie aus den uns und unserer Zeit eigenen Auf-
gaben und Fragen, aus den uns in jeder Zeit allein eigenen Vorder-
sätzen und geschichtlichen Lebenslagen folgen.“
1
Dieses schlichte Bescheiden und Einfügen in die große Tradition
des abendländischen Denkens ist bei der Beurteilung des philosophi-
schen Werkes Spanns immer zu berücksichtigen. Es läßt die Größe
seiner schöpferischen Leistung erst voll erkennen.
Sein metaphysisches Hauptwerk, der „Schöpfungsgang des Gei-
stes“, trägt den Untertitel: „Die Wiederherstellung des Idealismus
auf allen Gebieten der Philosophie.“ Idealismus ist Spann die Über-
zeugung, daß alle Wirklichkeit von einem letzten geistigen Grund,
von einem „Uber-Dir“ getragen ist. Er teilt diese ontologische Auf-
fassung des Begriffes Idealismus mit Otto Willmann, dem von ihm
hochgeschätzten Verfasser der „Geschichte des Idealismus“. Erkennt-
nistheoretisch war Spann wie Willmann Realist in der Anerkennung
der Möglichkeit der Erkenntnis bewußtseinstranszendenter Wirk-
lichkeit.
Der vorliegende erste Teil des Schöpfungsganges enthält die Seins-
lehre, die Gotteslehre, die Geisteslehre, die Naturphilosophie und
die Ideenlehre. Der zweite Teil sollte die Gesellschaftsphilosophie,
die Sittenlehre, die Geschichtsphilosophie und die Erkenntnislehre
bringen. Er ist als eigenes Werk nicht mehr erschienen, wohl aber
erschien 1928 die Gesellschaftsphilosophie, die als drittes Haupt-
stück die Sittenlehre enthält und 1932 die Geschichtsphilosophie.
Das erste große philosophische Werk Spanns, auf das der „Schöp-
fungsgang“ immer wieder zurückverweist, ist die 1924 erschienene
„Kategorienlehre“. Sie ist, wie Spann berichtet, „aus der harten Ar-
beit um das tägliche Brot seiner Fachwissenschaft“
2
, der Volkswirt-
schaftslehre und der Gesellschaftswissenschaft erwachsen.
Sie wurde zur Grundlage seines Systems der Philosophie. Spanns
1
Siehe oben S. 10.
2
Siehe oben S. 10 f.