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(3)
Es ist vor den Gliedern.
(4)
Es geht in den Gliedern nicht unter.
Die etwas dunkle Fassung der beiden ersten Axiome erhellt der
Hinweis: „Das Ganze als s o l c h e s erscheint niemals sinnfäl-
lig.“
1
Das Axiom (3) wird im Schöpfungsgang primär l o g i s c h
gedeutet, es heißt dort wörtlich: „Das Ganze ist logisch vor den
Gliedern“
2
, während in der Kategorienlehre im Satz: „Das Ganze
ist es, das sich ausgliedert, daher ist es vor den Gliedern“
3
auch der
o n t o l o g i s c h e Vorrang des Ganzen betont wird. Das Axiom
(4) wehrt den Pantheismus ab, nach dem jedes schaffende Wesen, zu-
letzt auch Gott, in seinen Geschöpfen untergehen muß.
Auch die Ableitung der Kategorien aus der ganzheitlichen
Grund-Automatik
erweist Spanns Realitätsbezogen heit. Dies gilt für die
Kategorien der Ausgliederung ebenso, wie für die der Rückverbun-
denheit.
In Auseinandersetzung mit Kants Begriff der transzendentalen
Apperzeption und Fichtes Setzungslehre gewinnt Spann aus seiner
Lehre von der Ausgliederung seine Auffassung des Seins als
S c h a f f e n a u s d e m G e s c h a f f e n w e r d e n . Für ihn
ist Sein ein unaufhörlich Tun, ein ständig Schaffen und Geschaffen-
Werden. Dieses Tun ist aber kein heraklitischer Fluß des Werdens,
keine Veränderung schlechthin, denn es gibt ein Bleibendes in ihm,
das Schaffende, das als „Dasselbige, Gleichbleibende“
4
Dauer hat.
So enthüllt sich ihm die Wirklichkeit als Stufenbau des Geschaf-
fenwerdens und Schaffens, der getragen wird von dem Urschaffen-
den, das auch das Urseiende ist, von Gott.
Spanns Seinslehre, die die Eleatisch-Heraklitische Antinomie und
eine Reihe von Schwierigkeiten und Widersprüchen der aristoteli-
schen Ontologie in schöpferischer Überhöhung bewältigt, ist von
der Philosophie bisher kaum beachtet worden, obwohl schon die
bloße Auseinandersetzung mit ihr der ontologischen Forschung
neue Ziele und Impulse gegeben hätte.
Die Spannsche Ontologie findet ihren Abschluß in der Gottes-
lehre. Die Lehre vom Stufenbau des Seins führt ebenso zu ihr wie
1
Siehe oben S. 36.
2
Siehe oben S. 38.
3
Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 66.
4
Siehe oben S. 37.