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Dieser Begriff findet sich ebenso in der christlichen Kirche, die
auf der Lehre vom C o r p u s C h r i s t i m y s t i c u m fußt
1
.
Bei Konfuzius heißt es: „Der Meister sprach: Wer, ohne etwas zu tun, die
Welt in Ordnung hielt, das war Schun (ein Herrscher aus dem 3. Jahrtausend
v. Chr.). Denn wahrlich: Was tat er? Er wachte ehrfürchtig über sich selbst
und wandte ernst das Gesicht nach Süden, nichts weiter
2
.“ Das „Sehen nach
dem Süden“ versinnbildlicht die Aufnahme des Weltgesetzes, gleichsam in pas-
siver Meditation, welches in stiller Wirksamkeit weitergeleitet wird.
Es bedarf keiner Bemerkung, daß alle diese Lehrbegriffe nicht
sozialistisch sind, daß sie vielmehr in gewissem Sinne das Gegenteil
des Sozialismus bedeuten. (In der Aufhebung der Familie — bei
Platon — für den ausgewählten Regierungsstand — nur für diesen
—
und Aufhebung des Eigentums für ihn — nur für ihn — sind
freilich Gedanken enthalten, die auch dem Sozialismus eigen sind.
Jedoch haben sie bei Platon einen anderen Sinn
3
.)
Zusatz über die Scholastik
Wir finden ferner einen ähnlichen Begriff der Gesellschaft und
der Regierung wie bei Platon auch bei allen philosophischen Lehr-
gebäuden des objektiven Idealismus, daher auch in der mittelalter-
lichen Scholastik
4
; bei Meister Eckehart
5
; und im deutschen Idea-
lismus, z. B. bei Baader
6
und Hegel
7
.
In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn der Klassiker der Scho-
lastik T h o m a s v o n A q u i n o (1225—1274)
8
sagt, das Gute
sei nicht von Menschen gemacht— nicht ex institutione
(θέσει)
gut
—
sondern per se (natura,
φύ
σ
ει).
Nicht „von unten hinauf“ also,
1
Siehe Matthias Josef Scheeben: Die Mysterien des Christentums, nach We-
sen, Bedeutung und Zusammenhang dargestellt, 3. Aufl., bearbeitet von Arnold
Rademacher, Freiburg 1912, §§ 56 ff., §§ 62 ff. und § 78.
2
Kungfutse: Gespräche (Lunijü), verdeutscht und erläutert von Richard Wil-
helm, Jena 1910, VIII, 21.
3
Vgl. dazu Wilhelm Andreae: Der sogenannte Kommunismus in Platons
Staat, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft
im Deutschen Reiche, Bd 49, Leipzig 1925, S. 1047 ff. — Mein Buch: Die Haupt-
theorien der Volkswirtschaftslehre, 26. Aufl., Heidelberg 1949, S. 144 f.
4
Das Schrifttum siehe unten S. 81 ff. und 95.
5
Siehe unten S. 39 ff.
6
Franz von Baader: Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, herausgegeben
von Johannes Sauter, Jena 1925, S. 766 ff. (= Die Herdflamme, Bd 14).
7
Siehe unten S. 64 ff.
8
Thomas von Aquino: Ausgewählte Schriften zur Staats- und Wirtschafts-
lehre, lateinisch und deutsch, herausgegeben von Friedrich Schreyvogl, Jena 1923
(= Die Herdflamme, Bd 3).