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sondern „von oben herab“ ist, wie bei Platon, der Grundsatz die-
ser Lehre. Das Gute ist daher nach Thomas wohl Naturrecht, 1 e x
n a t u r a l i s ; aber nicht im naturalistischen Sinne (Natur wird
nicht als Inbegriff toter Notwendigkeit, mechanischer Ursächlich-
keit, mathematisch-physikalischer Gesetze verstanden); und auch
nicht im individualistischen Sinne. Vielmehr beruht das Gute, das
sittliche Naturgesetz auf Teilnahme, auf p a r t i c i p a t i o
μέθεξις)
an dem ewigen göttlichen Gesetze, der lex a e t e r n a , d a s i s t
g ö t t l i c h e s N a t u r r e c h t . Erst aus der wechselnden und
durch die geschichtlichen Umstände immer wieder veränderten und
unzulänglich gemachten Anwendung des Naturrechtes — dieser
Teilnahme an dem göttlichen Gesetze — ergibt sich bei Thomas
das, was man heute „positives Recht“ nennen würde, die 1 e x
h u m a n a.
Im Lichte Platons gesehen, stellt sich daher auch die Gesellschafts-
philosophie des Thomas von Aquino als eine solche des objektiven
Idealismus dar. Es / ist auch in ihr ein Überindividuelles, ein objek-
tiver Geist, der vor dem Einzelnen steht und an dem der Einzelne
teilnimmt. Es ist dasselbe Herabsteigen der Idee und derselbe Be-
griff der Regierung.
II. Meister Eckehart (1260—1327)
Nach herkömmlicher Auffassung scheint der größte mittelalter-
liche Mystiker, Meister Eckehart, sich in einem Widerspruche zu
befinden, indem er einerseits die „Abgeschiedenheit“, die mystische
Versenkung, andererseits das tätige Leben lehre
1
.
Allein dieser scheinbare Zwiespalt löst sich auf, sobald wir den
(bisher merkwürdigerweise unbeachtet gebliebenen) Grundsatz sei-
ner Naturphilosophie auch auf seine Lebens- und Gesellschaftsauf-
1
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer (= Deutsche Mystiker
des 14. Jahrhunderts, Bd 2), Leipzig 1857 (seither anastatische Neudrucke); siehe
unter anderem S. 49, Zeile 25 ff., S. 501, S. 385, Zeile 27 ff. — Meister Eckhart:
Die deutschen und lateinischen Werke, herausgegeben im Auftrage der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, Stuttgart 1934 ff. — Meister Eckehart: Schriften zur Ge-
sellschaftsphilosophie, mittelhochdeutsch und neuhochdeutsch, herausgegeben von
Ilse Roloff (= Die Herdflamme, Bd 20), Jena 1934. — Vgl. meine Bücher:
Philosophenspiegel, 2. Aufl., Wien 1950; Meister Eckeharts mystische Philosophie,
in: Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd 3, Wurzach (Württemberg) 1948.