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ja die Grundlage des Kantischen Ich-Begriffes überhaupt. Damit
hat aber auch die S i t t e n l e h r e einen festen Boden. Denn
ebenso wie das Ich als erkennendes, hat nun auch das Ich als
sittliches oder, wie Kant sagte, als „praktisches“ sein Apriori.
Kant trennt, wie herkömmlich, die Erkenntnis oder die „theore-
tische Vernunft“ vom Wollen und Handeln oder der „praktischen
Vernunft“. Das arteigene Apriori der praktischen Vernunft kann
man nur finden, wenn man die empirischen (kausalen, psycho-
logischen) Bestimmungsgründe des Willens von den apriorischen
trennt. Die empirischen Bestimmungsgründe / sind durch die Lust-
und Unlustwerte, die „Motive“ gegeben. Kant wandelt hier grund-
sätzlich in den Bahnen Humes und der Assoziationsmechanik.
(Kant kommt hierin den Empiristen vollständig entgegen, weit
mehr als richtig ist.) Aber er erblickt hierin nur die genetische
Reihe des Willens. Außer dieser genetischen Reihe gibt es noch eine
andere: die Bestimmungsgründe des Handelns durch das, was kraft
der Vernunft g i l t , durch den W e r t , durch das S o l l e n .
„Die Beziehung auf die ideellen Vernunftgründe heißt Sollen
1
.“
Die Bestimmtheit des Handelns durch Vernunftgründe oder das
Sollen ist die apriorische, und sie hat den Primat oder Vorrang
vor der Bestimmtheit desselben durch die Lust- und Unlustmotive
des Begehrens oder der empirischen. Diesen Vorrang spricht Kant
in dem berühmten Satze aus: „Du kannst, denn du sollst“; und:
„Reine Vernunft ist für sich allein praktisch“. Da aber jeder Ablauf
in der Erscheinungswelt (auch das seelische Geschehen) nach Kant
naturhaft bestimmt ist, so muß auch das Intelligible (Ideelle, Freie)
als Naturursächlichkeit in Erscheinung treten. Dadurch entsteht
jenes zwiespältige Verfahren, wonach auch das Sittliche natur-
ursächlich zu betrachten, gleichzeitig aber dennoch seine Hinge-
ordnetheit auf ideelle Bestimmungen festzuhalten sei. Dadurch
wurde das empiristische Verfahren in der Sittenlehre nicht ganz
verdrängt. Und ähnlich wie nach Kant in der Biologie hatte die
Idee auch hier schließlich nur „regulative“ Bedeutung — eine
Halbheit des Verfahrens, die in der heutigen „Als-ob-Philosophie“
zur Karikatur wurde.
1
1
Immanuel Kant: Prolegomena, herausgegeben von Johann Eduard Erdmann
(= Reclams Universalbibliothek, Bd 2469—70), Leipzig 1878, S. 113.