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sten und Naturrechtlern der Staat / nur ein äußerliches Gebilde,

nichts Inneres, nichts Sittliches. Darum ist ihm auch das R e c h t

dadurch bezeichnet, daß es angeblich von a u ß e n mit seinen Ge-

boten an den Menschen herantritt. Das Recht ist ihm „heteronom“,

die Sittlichkeit allein „autonom“. Der „ A u t o n o m i e d e r

M o r a l “ s t e h t d i e „ H e t e r o n o m i e d e s R e c h t e s “

g e g e n ü b e r . Diese Kantische Lehre hat bis heute die Herr-

schaft in der akademischen Rechtswissenschaft. Ihr entspricht die

Leugnung der Einheit von Recht und Sittlichkeit, welche gerade

die neukantische Rechtsschule am schroffsten aufrechterhält.

Das persönliche Streben Kantens war allerdings dem Individualis-

mus entgegen. Darum finden wir ja auch unter anderem jene For-

mulierung des kategorischen Imperativs, die verlangt, daß der

Grundsatz für die eigene sittliche Entscheidung zugleich für alle

gelten solle, also ein sozialethischer sei. Aber dies sind nachträgliche

Verbesserungen, die an der rein individualistischen Natur der ent-

scheidenden Grundbegriffe nichts mehr ändern können. Ein einziger

Begriff findet sich bei Kant, der ihn aus der Subjektivität des Sitten-

gesetzes hätte herausheben können, der Begriff des „ B e w u ß t -

s e i n s ü b e r h a u p t“. Wäre dieser Begriff zu dem eines Über-

individuellen erhoben worden, dann wäre auch das sittliche Apriori

kein rein subjektives mehr geblieben; dann wäre die Begrün-

dung der Sittenlehre zuerst eine sozialethische gewesen; dann wäre

auch eine Wirklichkeit gefunden, die das Individuum überhöht und

also auch in sich befaßt, die es bildet und hegt. Der Begriff des

Ober-Dir wäre dann der Ausgangspunkt der Sittenlehre wie auch

der Erkenntnislehre geworden. Damit wäre aber die Erkenntnis-

theorie in einer Ontologie begründet gewesen — die Grundlagen

des Kantischen Systems wären damit geändert.

Diese Umwälzung zu vollziehen war eine Aufgabe, welche erst die

Nachfolger Kantens, vor allem Fichte, Schelling und Hegel, in einer

gemeinsamen, innig ineinandergreifenden Arbeit zu lösen vermoch-

ten.

V.

Der Übergang zu Hegel: Fichte und Schelling

Um alle Voraussetzungen, die im Hegelischen Begriffsgebäude

zur Entfaltung kommen, zu entwickeln, wäre es nötig, den großen

Gang der deutschen Philosophie von Kant zu Fichte, von Fichte