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Das oft angefeindete, oft mißbrauchte und noch viel öfter un-

verstandene dialektische Verfahren hat aber doch einen unwider-

leglich richtigen Grundgedanken in sich. Es ist der Gedanke des

Widerspruches, des Gegensatzes. Der Geist entwickelt sich an sich

selbst durch den Widerspruch. In der „Erörterung“ wird der Ge-

danke „angefochten“, das heißt ihm das Gegenteil, der Wider-

spruch entgegengesetzt. Dieses Gegenteil wird durch Widerlegung

„aufgehoben“, indem der ausgesprochene Gedanke sich selbst nun-

mehr eine reichere, jenen Gegensatz widerlegende und in sich

aufnehmende Gestalt gibt. Ebenso im Selbstgespräch: Auch hier

muß sich der Gedanke am Einwande bewähren, berichtigen, wei-

terbilden.

Diese einfache Auffassung des dialektischen Verfahrens bestätigt uns ein Ge-

spräch Goethes mit Hegel. Bei Eckermann

1

, 18. Oktober 1827, heißt es: „So-

dann wendete sich das Gespräch auf das Wesen der Dialektik. ,Es ist im Grunde

nichts weiter

1

, sagte Hegel, / ,als der geregelte, methodisch ausgebildete Wider-

spruchsgeist, der jedem Menschen innewohnt, und welche Gabe sich groß er-

weiset in Unterscheidung des Wahren vom Falschen.' ,Wenn nur“, fiel Goethe

ein, ,solche geistigen Künste und Gewandtheiten nicht häufig gemißbraucht und

dazu verwendet würden, um das Falsche wahr und das Wahre falsch zu machen!“

.Dergleichen geschieht wohl“, erwiderte Hegel, ,aber nur von Leuten, die geistig

krank sind.' “

Der „Begriff“ ist nach Hegel das ins Sein treibende Wesen, das

innerliche, sich betätigende, erscheinende Wesen (so daß man den

Begriff auch S u b j e k t , Seele, nennen könnte!), das in Gegen-

sätzen fortschreitet. Das Schema dieser Gegensätze ist: Thesis —

Antithesis — Synthesis; mit anderen Worten: Setzung — Gegen-

setzung — Ineinssetzung; Position — Negation — Negation der

Negation; An-sich-Sein — Für-sich-Sein — An-Und-Für-Sich-Sein.

— Als Beispiele dafür möge man die folgenden nehmen: das All-

gemeine (z. B.: die Gattung Eiche) — das Besondere (das von der

allgemeinen Gattung Abweichende) — das Einzelne (das in seiner

Besonderheit zugleich Träger des Allgemeinen ist: diese bestimmte

Eiche); die Substanz — das Subjektive — das Subjektive und Ob-

jektive zugleich (im Selbstbewußtsein); das Unbewußte (Subjekt

allein, noch unfertig) — das Bewußtsein (Subjekt mit Objekt) —

1

Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren

seines Lebens, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Gustav Mol-

denhauer, Bd 3, Leipzig 1884, S. 157 f.

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