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das Selbstbewußtsein (das Subjekt hat sich selbst [das Subjekt]
zum Gegenstande, daher: Subjekt — Subjekt-Objekt, das heißt
das sich als Gegenstand wissende Ich oder das sich selbst mit dem
Gegenstande wissende Ich); Ansich (das Allgemeine, die Substanz,
das Ding an sich); — Fürsich (was noch für sich selbst ist, das Sub-
jektive, das Besondere); — An-und-Fürsich (als Besonderes sich
doch als das Allgemeine zu finden, im einzelnen Ding den Begriff,
das Allgemeine, finden, das Selbstbewußtsein im Denken).
Alle diese Beispiele zeigen, daß das dialektische Verfahren keine
leere Spielerei ist, sondern wohl imstande, das Wesen des Gegen-
satzes verständlich zu machen, dadurch nämlich, daß überall die
höhere Einheit der Gegensatzpaare aufgesucht wird. Ohne eine
solche höhere Einheit ist Gegensatz nicht möglich.
Ein Mißbrauch des dialektischen Verfahrens findet sich bei Karl M a r x .
Da die Dialektik nur Sinn hat, wenn der Geist sich seinen Einwand, seinen Ge-
gensatz, setzt und durch ihn hindurch geht: so ist es sinnlos, bei einem me-
c h a n i s c h e n V o r g a n g e den „Gegensatz“ (Antithesis) und das „Hin-
durchgehen durch den Gegensatz“ (Synthesis) anzunehmen. Denn wo sollte bei
einem mechanischen Vorgange, der ja begriffsgemäß in sich selbst nicht-sinnvoll
ist, der in sich selbst weder Gedanke noch Gefühl noch Wert hat (sonst wäre
er ja nicht mechanisch), der sinnvolle Widerspruch, die sinnvolle Überwindung
eines Widerspruches, die „Synthesis“ herkommen? Diesen Mißbrauch hat sich aber
die „m a t e r i a l i s t i s c h e G e s c h i c h t s a u f f a s s u n g “ Marxens zuschul-
den kommen lassen, indem sie die Entwicklung der Menschheit, angeblich nach
der dialektischen Methode, aus mechanischen Gesetzen heraus folgendermaßen
bestimmte:
1.
Zeitalter: These, / Urkommunismus (Erzeugung und Verbrauch gemeinsam);
2.
Zeitalter: Antithese, Negation (Privateigentum, höchste Form: der Kapita-
lismus: Erzeugung privatwirtschaftlich, Verbrauch privatwirtschaftlich);
3.
Zeitalter: Synthesis, Negation der Negation (geläuterter Zukunftskommu-
nismus; Erzeugung gemeinsam, Verbrauch einzeln).
Der Übergang vom 2. zum 3. Zeitalter, von der Negation zur Negation der
Negation, soll insbesondere durch das mechanische, mit naturgesetzlicher Not-
wendigkeit wirkende „Gesetz der Konzentration“ des Kapitals herbeigeführt
werden. Dieses „Gesetz“ soll nach Marx die Wirtschaft automatisch „kollekti-
vieren“, wodurch sich die ganze proletarisierte Nation bald wenigen Kapital-
magnaten gegenübersieht und worauf (da nach der materialistischen Geschichts-
auffassung die Ideen aus der Umwelt, insbesondere aus der w i r t s c h a f t -
l i c h e n Umwelt, dem angeblichen „Unterbaue“ der Gesellschaft folgen) die
Proletarier endlich die „Expropriateure“ — „expropriieren“ werden.
Gleichlaufend damit haben Marx und sein Schüler Friedrich E n g e l s noch
andere „dialektische“ Abfolgen behauptet: Familienlosigkeit oder Promiskuität im
Urzustande (der Eigentumslosigkeit entspricht Familienlosigkeit); Familie (zuerst
mutterrechtliche, dann vaterrechtliche); freie Liebe der Persönlichkeit (im geläu-
terten Zukunftskommunismus). — Bekanntlich hat die Völkerkunde nachgewie-
sen, daß im Urzustande keine Promiskuität geherrscht habe und daß das Mutter-