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mir selbst bin.“
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— Bei einem logischen Schlusse, so können wir
uns das Gesagte verdeutlichen, haben die Glieder, nämlich Vorder-
satz, Mittelsatz und Folgerung, das an sich, n i c h t durch etwas
anderes, das außerhalb läge, bestimmt zu sein; „bestimmt“ heißt ja
hier nichts anderes als „g ü l t i g“. Der Vordersatz usw. hat G e l -
t u n g durch sich selbst, nicht durch ein anderes, ein Äußeres (z. B.
ob es im Zimmer warm oder kalt sei). In die Schlußglieder kann
sozusagen gar nichts von außen eindringen, sie sind wie durch einen
Zauberkreis in sich selbst gebannt, in sich selbst bestimmt — da-
durch aber sind sie frei. Geist kann nur in sich selbst und durch sich
selbst bestimmt werden, das B e i s i c h s e l b s t s e i n , wie Hegel
treffend sagt, ist sein Wesen, und darum ist Freiheit sein Wesen.
Er kann unmöglich anders als frei sein. Der Geist ist nur in sich
selbst bestimmt, er kann gar nicht von außen bestimmt werden.
Darum kann keine Schlußkette, keine Rechnung durch äußere Ge-
waltanwendung richtig werden, wenn sie unrichtig ist, und unrich-
tig, wenn sie richtig ist.
Sieht man sich das Schrifttum der letzten fünfzig Jahre über Willensfreiheit
daraufhin an, so findet man, daß es fast ausnahmslos an dieser großen Lehre
Hegels (und Fichtes) vorüberging. Jenes Schrifttum nimmt seine Fragestellung
rein vom Empirismus her. Empiristisch gesehen sind die Abläufe der Natur von
mechanischer Ursächlichkeit und daher mechanisch notwendig oder „determiniert“.
Was könnte nun das Gegenteil davon sein? — Nur „undeterminiert“. In diesem
verfehlten Gegensatz von „Determination“ und „Indetermination“, das ist „Frei-
heit“, die nur a b s o l u t e W i l l k ü r wäre, schränkte man nun die Lehre
von der Willensfreiheit und Geistesfreiheit ein. Daß der G e i s t u n b e -
r ü h r b a r s e i d u r c h a l l e s , w a s n i c h t G e i s t i s t , und daher in
sich selbst auch dann frei, wenn er sich, wie z. B. im richtigen logischen Denken,
eindeutig bestimmt sieht — davon hatte man keine Ahnung. Unsere späteren
Auseinandersetzungen über den inneren Aufbau des Geistes werden weiter
zeigen, inwieferne auf die Frage der Bestimmtheit des Geistes durch „Motive“
(Lust- und Unlustgefühl, die als Größen mechanisch wirken sollen) verfehlt ist,
daß vielmehr der Geist in seinem inneren Aufbau sich selbst jeweils das „A“
setzt, auf das sein „B“ folgt
2
.
Die Geisteslehre Flegels gipfelt in der G o t t e s l e h r e . „Die
Trinitätslehre spricht es aus, daß Gott Geist sei, daß es in seinem
Wesen liege, sich... in einer Welt zu offenbaren und darin bei sich
zu bleiben“, womit der Pantheismus ausgeschlossen wird
3
. Daher
1
Hegel: Philosophie der Geschichte, S. 52.
2
Siehe unten S. 97 ff. und 102 ff.
3
Eduard Zeller: Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz, Mün-
chen 1873, S. 832.