[41/42]
69
recht, das als allgemeiner Durchgangspunkt von der Promiskuität zur vater-
rechtlichen Einfamilie angenommen wurde, nicht in allen Kulturkreisen ge-
herrscht habe
1
.
Es muß nachdrücklich dagegen Einspruch erhoben werden, daß diese metho-
dische Ungeheuerlichkeit mit Hegel ernsthaft verbunden werde. Marx hat Hegel
nie verstanden, und daß er seine Verkehrung des Geistigen in das Materiell-
Mechanische vornahm, gleichwohl aber die rein geistigen Kategorien (die Schritte
der Dialektik) beibehalten konnte, ohne der allgemeinen Verachtung anheim-
zufallen, beleuchtet grell den Verfall der philosophischen Bildung in der Zeit
nach Hegel und ihrer Abkömmlinge: des Liberalismus und Sozialismus bis auf
unsere Tage
2
.
2.
Beurteilung
Der Beginn des dialektischen Verfahrens mit der einfachen „Set-
zung“, worauf „Gegensetzung“ und „Ineinssetzung“ erst folgen soll,
ist ihr wesentlicher Fehler (der also recht eigentlich auf Fichte zu-
rückgeht). Jedes Ganze beginnt in Wahrheit mit einer (latenten)
Synthesis, damit: daß in der e r s t e n
S e t z u n g
a l l e
s p ä t e r e n S e t z u n g e n e n t h a l t e n s i n d , alle späteren
Gegensätze und / Auswirkungen schon angelegt, ineinsgesetzt sind.
Nur wenn im Anfang schon alles angelegt ist, kann das Spätere dar-
aus folgen, hervortreten — sich ausgliedern: Hiefür kann der Keim
einer Pflanze ebensowohl ein Beispiel sein wie der Keim eines
Gedankensystems, der Einfall, der erste Blitz der Eingebung, der
alles später zu Entwickelnde in sich schon enthält.
Ein weiterer Irrtum der Dialektik ist, den „Gegensatz“ (trotz
gelegentlicher gegenteiliger Bestrebungen) schlechthin als + oder —
gefaßt zu haben (also kontradiktorisch). Wird dagegen das Ganze
als keimhafter Inbegriff aller seiner Ausgliederungen und Umglie-
derungen an den Anfang gesetzt (also das, was der „Synthesis“ ent-
spräche), dann erkennt man, daß die Ausgliederungs- und Umgliede-
rungsschritte nicht eigentlich als Verneinung, Negation, Gegensatz
im strengen Sinne erfolgen können, sondern vielmehr als eine
wesensgemäße Spannung, als ein g l i e d h a f t e r , o r g a n i -
s c h e r U n t e r s c h i e d und daher nicht als eine schlechthinnige,
sondern nur als eine verhältnismäßige, als eine ergänzende Ver-
neinung gefaßt werden dürfen (als konträrer Gegensatz).
1
Vergleiche dazu Wilhelm Schmidt: Völker und Kulturen, Teil 1, Gesell-
schaft und Wirtschaft der Völker, Regensburg 1924.
2
Eine genaue Darstellung und Kritik, nicht nur des scheinbaren Hegeltums
bei Marx, sondern auch seiner gesamten anderen Lehren, gab ich in meinem Buch:
Der wahre Staat, 4. Aufl., Leipzig 1938, S. 100 ff.