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frei, der Sache nach aber herrscht hier Zufälligkeit, das heißt aber

W i l l k ü r ;

2.

erst d a d u r c h , d a ß d e r W i l l e s i c h z u m D e n k e n

e r h e b t und seinen Zwecken damit die immanente Allgemeinheit

gibt (denn Denken ist Denken des Allgemeinen), erst dadurch macht

er sich von der Zufälligkeit frei. Es ist ein entscheidender Gedanke

der Gesellschaftsphilosophie Hegels, daß der Wille sich durch Den-

ken aus einem Subjektiven zum Objektiven macht. „Objektiv“

heißt, er wird zum vernünftigen Willen: zum objektiven Geiste (er

erfüllt sich damit). Hegel drückt es in folgenden Worten der Rechts-

philosophie aus: „Dies Selbstbewußtsein, das durch Denken (näm-

lich des Allgemeinen) sich als Wesen erfaßte (= das Wesentliche er-

faßt, sich zum Wesen oder Allgemeinen erhebt) und damit eben sich

vom Zufälligen und Unwahren abtut, macht das Prinzip des Rech-

tes, der Moralität und der Sittlichkeit aus

1

.“

Der objektive Geist, so dürfen wir erläutern, ist der Mittler zwi-

schen dem Einzelgeist und dem absoluten Geiste. Mittler, denn er

vermittelt die Wesensinhalte des absoluten Geistes: Kunst, Religion,

Philosophie; Mittler, denn er bildet als sittlicher Prozeß den abso-

luten Geist dem subjektiven ein. So versteht man es, daß Hegel die

Lehre vom absoluten Geist — umfassend Kunst, Religion und

Philosophie — von der des objektiven Geistes trennt und selbstän-

dig als Schluß seines gesamten Begriffsgebäudes behandelt.

Auf den Inhalt der Hegelischen Lehre vom objektiven Geiste

einzugehen ist hier nicht der Ort. — Die Lehre vom „formellen“

oder „abstrakten“ Rechte behandelt: Eigentum, Vertrag, Unrecht;

die Lehre von der „Moralität“, das ist des subjektiven sittlichen

Vorganges, behandelt: Vorsatz und Schuld, Absicht und Wohl, das

Gewissen, das Gute und das Böse; die Lehre von der Sittlichkeit end-

lich behandelt den Hauptinhalt dessen, was man später „Ethik“ oder

auch „Soziologie“ nannte:

1.

die Familie (Ehe, Vermögen der Familie, Erziehung der Kinder,

Auflösung der Familie);

2.

die bürgerliche Gesellschaft (System der Bedürfnisse, zum Teil

Volkswirtschaftslehre im Smithischen Sinne, aber daneben doch der

1

Hegel: Rechtsphilosophie, Jena 1917, § 21. — Hegel: Enzyklopädie der

philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, in 2. Auflage neu herausgegeben

von Georg Lasson, Leipzig 1920, S. 38.