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philosophischen Lehrgebäudes des Idealismus; die Antwort auf die
zweite Frage die Gesellschaftsphilosophie; die Antwort auf die
dritte Frage die jeweiligen Verfahrenlehren der gesellschaftlichen
Wissenschaften.
Die Beantwortung der dritten Frage ist mit der Entwicklung der
Begriffe „Individualismus“ und „Universalismus“, die wir früher
vollzogen
1
, im wesentlichen gegeben. Diese Frage wird uns daher
in der Folge nicht mehr beschäftigen. Jedoch werden wir die Aus-
wirkungen des Universalismus auf die zergliedernde Untersuchung
noch genau erkennen lernen
2
.
Jede Gesellschaftsphilosophie ist zuletzt nur als Glied eines Ge-
samtgebäudes der Philosophie möglich. Wie entscheidend dabei
auch die Ergebnisse der zergliedernden, erfahrungsmäßig vorgehen-
den Gesellschaftslehre sein mögen, indem sie nämlich auf ganz
bestimmte philosophische Folgerungen hindrängen — diese Folge-
rungen müssen sich doch stets in das philosophische Gesamtbild
eingliedern und in diesem Sinne zu V o r a u s s e t z u n g e n wer-
den. Die philosophischen Voraussetzungen sind aber bestimmend
für die systemtragenden Gedanken. Andererseits hängt wieder die
Gestalt und der innere Aufbau der Gesellschaftsphilosophie von
Gestalt und Aufbau des philosophischen Gesamtgebäudes ab.
Daraus folgt, daß auch wir das Begriffsgebäude der Gesellschafts-
philosophie aus dem einer allgemeinen Philosophie abzuleiten hät-
ten. Für das Begriffsgebäude der Philosophie verweisen wir auf
unsere, an anderer Stelle von uns entwickelte Kategorienlehre,
Ontologie und Pneumatologie. Da die Hauptbegriffe der Pneumato-
logie oder subjektiven Geisteslehre in der folgenden Untersuchung
immer wieder zur Verwendung kommen, kann eine kurze Dar-
stellung hier nicht unterlassen werden.
Diese bedeutende Stellung der Pneumatologie ist allerdings nicht
mit jener empiristischen Lehre zu vergleichen, wonach die Psycho-
logie die Grundlage der Gesellschaftslehre wäre, der sogenannte
Psychologismus. Denn Idealismus und Universalismus verlangen
gleichmäßig den Gang der Untersuchung „von oben herab“ (statt
„von unten hinauf“). Der Mensch ist danach das Glied des geistigen
1
Siehe oben S. 16 ff. und 19 ff.
2
Siehe unten S. 117 ff.: Die Ausgliederungsordnung der Gesellschaft;
dabei besonders wichtig der Begriff des Vorranges.