[64]
103
von mir als dem Schauenden. Wissen ist die U n t e r s c h e i d u n g
des Ich von seiner Setzung. Die Fortsetzung dieser Unterscheidung
ist Weiterentfaltung, Weiterausgliederung des Wissens. Wenn wir
die Grundakte des Wissens oder Denkens untersuchen, so finden
wir, daß es nur in Fortsetzung der Unterscheidung besteht. Das
Urteil, der Syllogismus ist nichts anderes als eine Fortsetzung der
Unterscheidungen.
Ich selbst werde durch Eingebung g e s c h a f f e n , i c h s c h a f f e mich
durch Annahme, werde g e s c h a f f e n durch Schauen (Wirkenlassen der an-
genommenen Eingebungen in mir) und s c h a f f e mich, indem ich das Ge-
schaute weiter setze, die Selbstunterscheidung durch eigene Unterscheidungsakte
weiter verfolge. Daß ich weiß, daß ich das Geschaute zum Wirken bringe, ist
m e i n e Tat. Das ist nicht mehr Eingebung (Intuition), sondern z e r l e g e n -
d e s , d i s k u r s i v e s D e n k e n .
Daher: Scharfsinn ist billig, manchmal heuwagenweise auf dem Markt zu
haben — das kleine Denken. Jedoch die Eingebung, die auf dem Grunde
scharfsinnig zerlegenden Denkens ruht, ist kostbar.
Die Logik lehrt, was zerlegendes Denken sei: Es muß nur die Identität
der unterschiedenen Elemente festgehalten werden. Das ist immerhin leichter.
S c h a r f s i n n wird darum sehr richtig von T i e f s i n n unterschieden. Tief-
sinn erfordert Größe der Eingebung, die man sich nicht selbst schaffen kann,
Scharfsinn zerlegt, unterscheidet nur das Eingegebene.
Wird das Eingegebene nicht weiter (zerlegend) unterschieden,
sondern g e s t a l t e t , dann entsteht die K u n s t . Die Kunst hat
denselben Eingebungsgrund wie das Wissen, beruht aber auf einer
anderen Geistestat, dem Gestalten (worüber später mehr).
Annahme, Wissen, Gestalten zeigt den Menschen als schaffend,
Glaubensgrund, Gezweiungsgrund (Liebe) als geschaffen. Der
M e n s c h i s t S c h a f f e n a u s G e s c h a f f e n w e r d e n .
4. Die Sinnlichkeit
Der Geist, der sich nach dieser inneren Ordnung aufbaut, als
Denkender, verbindet sich mit den immateriellen Wurzeln der
Materie durch eine Verbindung, Gezweiung höherer Ordnung, und
dadurch entsteht die äußere und die innere Sinnlichkeit: Triebe,
Leidenschaft, Organempfindungen, das Lebensgefühl, das Halb-
bewußte, das dunkle chthonische Element in unserem Wesen bilden
die innere Sinnlichkeit; die Empfindungen der Sinnesorgane des
Sehens, Hörens, Schmeckens usw. bilden die äußere Sinnlichkeit.