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In der E i n g e b u n g i s t d i e M i t g e g e n w a r t e i n e s

g e i s t i g H ö h e r e n i m m e n s c h l i c h e n E i n z e l g e i -

s t e o f f e n b a r . Alles, was uns eingegeben wird, zeigt sich als

ein Geistiges, z. B. wird der Inhalt der Wissenschaft durch Einge-

bung erlangt. Es sind Einfälle der Forscher, die dann auseinander-

gelegt und in ein System gebracht wurden. Die Kunst, ja die ganze

Kultur einer Zeit ist durch Eingebung erlangt, denn es ist eine

g e i s t i g e Welt, die in der Geschichte der Kulturen vor unseren

Augen offen daliegt.

Die Noten in einem Notenbuche sind nur Sinnbilder für ein

Lied, das wir immer wieder miterleben können. Unser geistiges

Leben besteht darinnen, daß dieses Geistige immer wieder in uns

aufleuchtet. Dieses Aufleuchten gehört einer höheren Ordnung,

einer höheren Stufe der geistigen Welt an — der I d e e n w e l t .

Die Geisteslehre zeigt in der „Eingebung“ die Einfallspforte der

Idee. Wer diese Einfallspforte schließt, lebt geistig nicht mehr, er

geht langsam ein, da ihm immer weniger einfällt. Es ist eine hö-

h e r e g e i s t i g e O r d n u n g , die durch jene Einfallspforten in

uns aufleuchtet; oder vom Standpunkte des Einzelnen aus gesagt:

wir dringen durch die Ausfallspforte in das Reich der Ideen ein —

in unser eigenes Reich. Der Mensch ist in der Ideenwelt befaßt,

gehört selbst der Ideenwelt an, als Ideenführer!

Darum weist die idealistische Geisteslehre auf eine Ideenlehre

hin. Es kann keine idealistische Philosophie ohne Ideenlehre ge-

dacht werden. Dagegen besteht bei den empiristischen Philosophien

und bei individualistischer Auffassung der Gesellschaft nicht einmal

eine Möglichkeit, die Forderung nach einer Ideenlehre zu stellen

oder zu ihr zu gelangen. Die empiristische Gesellschaftsphilosophie

geht von der Selbstbestimmtheit des Einzelnen und seines Han-

delns aus. Die Gesellschaft ist, so sagt sie, weil viele Einzelne da sind

und weil diese vielen Einzelnen handeln und ihre Handlungen sich

summieren.

Anders für die idealistischen Philosophien jeder Art und Farbe

und für die ganzheitliche Gesellschaftsauffassung. Wenn die Ge-

sellschaft, wenn die geistige Ganzheit, die in ihr gegeben ist, selbst

etwas ist; dann entsteht die Frage nach der V o r a u s s e t z u n g

f ü r d a s g l e i c h a r t i g e g e i s t i g e L e b e n d e r e i n -

z e l n e n M e n s c h e n . Welche ist diese Voraussetzung? Warum