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jedem Menschen unmittelbar und einzeln (je allein) wäre und

wirkte, dann ergäbe sich daraus niemals ein gemeinsames gesell-

schaftliches Über-Dir, das daher die Einzelnen auch nicht als G l i e -

d e r in sich zu fassen vermöchte. Es ergäben sich alle jene Folge-

rungen, die uns schon früher aufstießen

1

. Überall, wo der Schöpfer

den geschaffenen einzelnen Wesen je als Einzelnen u n v e r m i t -

t e l t gegenübersteht, wäre dann die Lehre vom metaphysischen

Über-Dir einer individualistisch-atomistischen Auffassung der Ge-

sellschaft und Welt gegenüber widerstandslos, wodurch sie schließ-

lich sich selbst aufgäbe. Denn dann schüfe Gott eigentlich keine

Welt, sondern viele einzelne Menschen. Solche Einzelne können aber

ebensogut als in sich selbst gegründete Wirklichkeiten bestimmt

werden — die metaphysische Voraussetzung wäre überflüssig. /

Keine einzige große metaphysische Lehre hat darum den meta-

physischen Gedanken mit solchem Widerspruche und in solcher

Halbheit gefaßt. Heute zwar sehen wir, wie die christliche Theo-

logie vielfach solche Wege wandelt — heute, in einer unreligiösen

Zeit, in der auch die Träger der Religion und der Religionsphiloso-

phie so oft den Einflüssen des Materialismus, Empirismus, Atomis-

mus, Individualismus unterliegen. Wie es Liberale gibt, die Heil

rufen, gibt es auch Liberale, die in die Kirche gehen.

Das gesellschaftliche Über-Dir wird nur gewonnen, indem das

metaphysische Über-Dir nicht als ein atomistisches Nebeneinander

von schöpferischen Einflüssen auf einzelne Menschen und Dinge

verstanden wird; sondern als eine G e s a m t g a n z h e i t fort-

dauernder schöpferischer Einflüsse auf die G e s a m t g a n z h e i t

der Menschen; so zwar, daß die Einzelmenschen und Einzeldinge

wie die Glieder dieser Gesamtganzheit und ihrer Gesamtschöpfer-

tätigkeit erscheinen. Nicht der Einzelne hat ein Über-Dir je für

sich, ein besonderes Über-Dir. D a s s e l b e Ü b e r - D i r i s t

z u g l e i c h i n v i e l e n E i n z e l n e n und begründet jenen

objektiven Geist, jene Ganzheit, deren Glieder wir sind.

So aufgefaßt, ist das metaphysische Über-Dir nichts anderes als

die I d e e n w e l t . Die Ideenwelt wirkt nicht wie eine Summe

atomistischer Einzelideen auf die Menschen als Einzelne; sondern sie

wirkt als Einheit, als Reich, als Gesamtganzes auf die Einheit der

Menschen — auf die Gemeinschaft. Gemeinschaft aber entsteht

1

Siehe oben S. 20 f.