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Denken ist, soweit dieser Begriff gilt, nicht dein und mein; sondern es ist das

Bewußtsein überhaupt, das sowohl in dir wie in mir wirksam ist. Das subjektive

Apriori Kantens hat also heimlich doch noch ein Objektives über sich. Das sub-

jektive Apriori schluckt gewissermaßen die Objektivität des Geistes, des „Be-

wußtseins überhaupt“, den objektiven Geist. Wenn auch zu betonen ist, daß

hier nur ein unausgeführter Systemgedanke bei Kant vorhanden ist, während das

subjektive Apriori im System bestimmend wurde, so darf er darum doch nicht

übergangen werden. — Ferner darf bei Kant auch der Begriff des „Dings an sich“

als überindividuelles Intelligibles, als objektiver Geist gedeutet werden und

wurde auch in manchen Zusammenhängen so gedeutet. F i c h t e knüpfte be-

kanntlich an diesen, nicht an das „Bewußtsein überhaupt“ an. Dadurch gelangte

er zum Begriffe des „absoluten Ich“, das ihn in der Folge immer mehr zum

objektiven Geiste hinführte.

In all diesen Vorstellungsweisen erkennen wir, daß die Ideenwelt als ein

ungeteiltes Ganzes es ist, die den „objektiven Geist“ bildet, indem der einzelne

Mensch als letztes Glied dieses Gesamtgeistes (in Gezweiung) aktuiert wird und

dabei erst seine subjektive P e r s ö n l i c h k e i t gewinnt.

Wer an dem Begriffe eines gegenständlichen Über-Dir, eines „ob-

jektiven Geistes“, Anstoß nimmt, braucht nur an die Geschichte zu

denken und ihn als „geistigen Inhalt der geschichtlichen Kultur“

aufzufassen. Man denke an die ägyptische, indische, griechische,

mittelalterliche Kultur, die ein objektives Ganzes waren. Sollen

hier lauter einzelne Menschen je für sich sich so bestimmt haben,

daß sie in jene Kultur hineinpaßten? Nur die gegenteilige Ansicht

hat Sinn, daß nämlich die Einzelnen jeweils vom Geiste des Ganzen

mitbestimmt waren, diesen stets in ihrer individuellen Weise dar-

stellten und sich darin das Ewige erbildeten.

Die Geschichte lehrt unwidersprechlich, daß der Kulturinhalt

jeder Zeit überindividuell bestimmt sei und nicht aus der Summe

der geistigen Akte der Einzelnen ableitbar ist; noch weniger aus

deren Umwelt. Umgekehrt erscheinen die Einzelnen als die letzten

Aktuierungen, als die einzigartig bestimmten Glieder des objekti-

ven Geistes, der objektiven Kultur — wobei immer wieder hinzu-

zufügen ist, daß diese Aktuierung nicht ohne das Eigenleben des

Gliedes möglich ist, nach dem Begriffe „Schaffen aus Geschaffen-

Werden“. Das Glied wird (vom Ganzen) geschaffen, aber nur indem

es selbst schafft, indem es Eigenleben hat, Persönlichkeit!

In der Frage nach dem Verhältnisse des Einzelnen zur Kultur

seiner Zeit erkennen wir die entscheidende Frage der Ideenlehre

wieder: Transzendenz und Immanenz

1

. Die Idee, der objektive

1

Siehe mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 461 ff.

und 507 ff.

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