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sophie des klaren Begriffs beider: des Über-Ichs und des Ichs, des
objektiven Geistes und des subjektiven, des Gemeinschaftsgeistes,
Zeitgeistes und des Einzelgeistes.
Die „Ideenwelt“ erscheint in der Gesellschaftsphilosophie nur als
objektiver Geist von bestimmter g e s c h i c h t l i c h e r Wirk-
lichkeit. Die Ideenwelt „an sich“, den objektiven Geist „an sich“,
das heißt: ohne / eine bestimmte geschichtliche Erscheinungsform,
ohne Erscheinen in geschichtlich bestimmten Einzelmenschen —
gibt es nicht. Es ist n i c h t d i e l a u t e r e I d e e n w e l t ,
v o n d e r w i r i m g e s c h i c h t l i c h e r s c h e i n e n d e n
o b j e k t i v e n G e i s t e K e n n t n i s e r h a l t e n , sondern die
in bestimmten sich verwirklichende, die geschichtlich wirksame
Ideenwelt.
Die lautere Ideenwelt wäre das schlechthin Jenseitige, eine Ideen-
welt, von der wir nichts wissen, die wir nach Platon in unserer
„Präexistenz“ geschaut haben, aber hier nicht nachweisen können.
In der Gesellschafts- und Geschichtsphilosophie kann darum von
der lauteren Ideenwelt nicht geredet werden. Hier gilt nur, was
geschichtlich wirksam und erfahrbar ist. Was die Idee des Griechen-
tums im Himmel macht, wissen wir nicht; aber wie sie sich in der
Geschichte als Gesellschaft und Kultur darlebt, davon können wir
sprechen. Das Griechentum als objektiver Geist, als geschichtlich
gewordene Idee einer bestimmten Gemeinschaft, kann durch die
Wirklichkeit der Geschichte erkannt werden.
Auch in der vom Einzelnen aufsteigenden Betrachtung („von
unten hinauf“) ist der objektive Geist oder die Idee der Gemein-
schaft nachweisbar. Das Seiende ist nicht in Stücken und am aller-
wenigsten ist es der Mensch in seinem geistigen Leben. Der Mensch
ist geistig in Gezweiung, er ist nicht vereinzelt. Ohne Gezweiung
ist nicht nur in der Erfahrung nichts anzutreffen, sondern auch
nichts denkbar. Ist aber der einzelne Menschengeist nicht allein ge-
schaffen, sondern im geistigen Gliederbau — dann wird er schon
als Glied einer geistigen Ganzheit gefaßt. S o f e r n d i e g e i -
s t i g e G a n z h e i t i n i h r e r v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n
ü b e r i n d i v i d u e l l e n S e l b s t ä n d i g k e i t o d e r J e n -
s e i t i g k e i t g e f a ß t w i r d , i s t s i e o b j e k t i v e r
G e i s t ; sofern sie nach ihrer verhältnismäßigen Subjektivität oder
Gliedhaftigkeit, in ihrer Einwohnung im einzelnen Menschen ge-
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