Z w e i t e s H a u p t s t ü c k
Die Ausgliederungsordnung der
Gesellschaft und die Vorrangverhältnisse
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D e r subjektive Geist gelangt in geistiger Gegenseitigkeit, das ist
in Gezweiung zur Entfaltung; aber was sich in ihm entfaltet, sind
die für alle gültigen Inhalte: die Inhalte des Gesamtgeistes oder
objektiven Geistes. Der objektive Geist gliedert sich aber nicht
unvermittelt von der allgemeinen Ganzheit (dem Gesamtgeiste)
zum einzelnen Menschen (dem einzelnen Gliede) aus, sondern nach
bestimmten Vermittlungen, nach einer bestimmten Ordnung. Wir
nennen diese die A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g . Und zwar
sind es:
1.
bestimmte geistige Grundinhalte, die wir „T e i 1 i n h a l t e“
oder „ T e i l o r d n u n g e n “ , auch „Sachgehalte“, „Teilganze“
nennen; und
2.
bestimmte S t u f e n , welche die Ausgliederungsordnung
kennzeichnen.
Alle Teilinhalte, z. B. Wissenschaft, Kunst, Religion, erscheinen
nämlich nicht als solche, abstrakt, sondern stets auf bestimmten,
konkreten S t u f e n , z. B. die Kunst auf der Stufe des Volkstums,
also als nationale Kunst, oder Heimatkunst oder Kunst eines Kul-
turkreises; das Recht erscheint nicht an sich, sondern als Völker-
recht, Staatsrecht, Gemeinderecht, Privatrecht (des Einzelnen). Die
Teilinhalte erscheinen also konkret nur auf bestimmten gesellschaft-
lichen Stufen. Sie kehren ferner auf allen Stufen wieder, wie sich
später zeigen wird.
In diesem Sachverhalte ist bereits deutlich der Begriff eines inne-
ren logischen Gefüges, allgemeiner gesagt, einer Ordnung erkenn-
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Dieser Abschnitt folgt zum Teile meinem Aufsatze: Vorrang und Gestalt-
wandel in der Ausgliederungsordnung der Gesellschaft, in: Logos, Internationale
Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Bd 13, Tübingen 1924, S. 191 ff.