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meinde — Bürger (Einzelner) ein Beispiel des Stufenbaues im Han-
deln, das ist eines anstaltlichen oder organisatorischen Stufenbaues.
Die Vorränge können erst durch sinngemäße Analysis erkannt
und begründet werden. Zum Beispiel sind die geistigen Teilinhalte
ihrem Wesen nach (begrifflich, logisch) vor den handelnden, da
Handeln seinem Begriffe gemäß Geistiges erst verwirklicht; und das
anstaltliche oder organisatorische Handeln ist vor jedem anderen,
da, wie sich zeigen wird, nur unter organisatorischen Bedingungen
dauernd gehandelt werden kann.
Die Vorrangsätze sind dazu bestimmt, die angeblichen „Kausal-
gesetze“, welche es in Gesellschaft und Wirtschaft gar nicht gibt
noch geben kann, zu ersetzen!
II. Religion und Philosophie
Das Ursprünglichste alles Geistigen, wie im einzelnen Menschen
so im Ganzen der Gesellschaft, ist das Übersinnliche, dasjenige, was
man zuletzt überall „Glauben“ oder wenigstens metaphysische
Ahnung, übersinnlichen Schauer, in ausgebildeter Form R e l i -
g i o n nennt. „Glaube“ ist hier wie im folgenden nicht als ein Für-
wahrhalten zu verstehen, vielmehr, wie schon oben erklärt, als: das
R ü c k v e r b u n d e n h e i t s b e w u ß t s e i n des Menschen in
Gott.
Es ist daher ein u n m i t t e l b a r e s (nicht durch Gedanken
dargelegtes) Innewerden eines Höheren, jenes innere Wissen, das
über alle Vermutung hinaus und sicherer ist denn jede bloß äußere
Kunde und Erkenntnis. Das Unmittelbare im Glauben darf man
auch mit Recht „Ahnung“ heißen, wieder nicht, weil sie ein un-
sicheres Wissen wäre, kann sie doch von unentfliehbarer Gewalt
sein; vielmehr weil sie ein erkenntnismäßig noch unbestimmtes
Wissen ist. Das Wort „Ahnung“ sagt jedem, was das Tiefste im
Glauben sei, etwas von „Vorstellung, Gefühl und Wille“ nicht Ab-
leitbares, vielmehr ein Ursprüngliches, ein u n m i t t e l b a r e s
Berührtwerden ohne Gedanken und Worte — ein b e g r i f f -
l o s e s I n n e w e r d e n des Übersinnlichen.
Glaube, Religiosität ist demnach nichts Abgeleitetes, wie die
heutigen Schulen der Seelenlehre und die alte Assoziationslehre be-