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der: Wissen geht nicht nur auf das „Allgemeine“, wie gemeinhin in

der Logik gelehrt wird. Denn dann wäre der Inbegriff geschicht-

lichen, konkreten Wissens eines Volkes, sein geschichtliches Bewußt-

sein, nicht Bestandteil des Teilinhaltes „Wissenschaft“, was unmög-

lich angenommen werden kann. Wissen geht vielmehr auf das

Allgemeine (die Gattung, Idee) des Gegenstandes ebenso wie auf das

Besondere, die konkrete Gliedhaftigkeit desselben (die konkrete

Stufe, auf der das Allgemeine erscheint)

1

.

Wissenschaft ist gegenüber Religion ein Arteigenes, Ursprüng-

liches, eben dasjenige, was die Welt, die Dinge als Objekt sich zu

eigen macht. Darum sagt Aristoteles mit Recht: „Alle Menschen

verlangen von Natur nach dem Wissen“

2

; aber dabei ist dennoch

Religion das wesenhaft Primäre, logisch Vorgeordnete, weil es sei-

nem Begriffe nach im Wissen erst verwirklicht wird: der Gestalt-

wandel vom Glauben an sich zur Glaubens l e h r e . Religion kann

nicht, so sagten wir früher, Glaube an sich bleiben, sondern muß im

bestimmten Wissen des Gegenstandes sich ausgestalten. Sie muß vom

Gotteserlebnis zum Gottes b e g r i f f fortgehen. Glaube will wis-

sender Glaube werden. Glaube ist der Grund des Geistes, Wissen

ist das Licht des Geistes. Am Wissen wird Glaube durch Gestalt-

wandel zuerst wirklich und leibhaftig. Das Wissen kann nicht etwa

umgekehrt so begriffen werden, daß es den Menschen erst zum

Glauben bestimmte. Wissen setzt Religion und Metaphysik, setzt

den Glauben voraus.

Das folgt auch aus der Richtung des Bewußtseins auf das Ge-

wußte als eines Gegenstandes und damit auf die Bestimmtheit des

Gegenstandes oder W a h r h e i t , was zuletzt auf einer unzerlegten

Bestimmtheit, auf einem Unmittelbaren, Einfachen, das heißt auf

Eingebung (Intuition) beruhte. Diese gerade beweist den tieferen

Grund des Geistes, auf dem das Wissen ruht. Alles Wissen baut sich

zuletzt auf Eingebung, auf Intuition auf, wie es denn auch die Logik

seit uralten Zeiten lehrt. (Daß gewisse moderne Uberlogiker dieses

eben heute entdecken wollen, mutet sonderbar an.) Eingebung aber

1

Den näheren Beweis in meinem Aufsatze: Zur Grundlegung einer ganzheitlichen

Logik, in: Kämpfende Wissenschaft, Gesammelte Abhandlungen zur Volks-

wirtschaftslehre, Gesellschaftslehre und Philosophie, Jena 1934, S. 143—178; in

meinem Buche: Ganzheitliche Logik, aus dem Nachlaß herausgegeben von Walter

Heinrich (= Stifterbibliothek, Bd 95a—f), Salzburg 1958, S. 106 ff. und öfter.

2

Aristoteles: Anfangsworte der „Metaphysik“.