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Die unmittelbaren Quellen der Verschiedenheiten des religiösen
Bewußtseins liegen in Mystik und Magie, wie die Religionsphilo-
sophie zu zeigen hat
1
.
Das der Religion im objektiven Geiste unmittelbar Nachgeord-
nete ist die Wissenschaft.
Zusatz über Liebe und Gewissen
Die s u b j e k t i v e Geisteslehre geht vom Glauben durch die Tat der An-
nahme und Schauung über zu einem G e z w e i u n g s b e w u ß t s e i n , welches
besteht: aus der Gewußtheit des einen Ich vom andern oder dem „ h i n g e -
h e n d e n B e w u ß t s e i n “ und der Eingeordnetheit jedes subjektiven Geistes
im objektiven Geiste, der „M i t t e w e n d i g k e i t“. Das hingebende Be-
wußtsein ist L i e b e . Das Organ für diese Eingegliedertheit oder Mittewendig-
keit ist das G e w i s s e n
2
.
III. Die Wissenschaft
Die Wissenschaft als Teil einer Kultur bezeichnet das Verhältnis
der Kultur zur Welt als einem Inbegriffe von Gegenständlichkeit;
das will sagen, nicht etwa zur Welt als einem Inbegriffe von Schön-
heit (was Kunst wäre) oder Göttlichkeit (was Religion wäre), son-
dern von Objekten, Sachinhalten. Daher ist die Wissenschaft nicht
Kunst noch Religion, sondern ist das Gewußtwerden der gegen-
ständlichen Welt von den Gliedern der Kultur; und ist damit ferner
der Inbegriff der Organisierung der Wissensgemeinschaft nahege-
legt (durch / das Schulwesen und so fort, wovon aber erst in der
Lehre des Handelns zu sprechen ist).
Im Einzelgeiste ist das Wesentliche am Wissen die Erfassung des
Gewußten als eines G e g e n s t a n d e s
3
. Dabei ist „Gegenstand“
nach dem Verhältnisse Subjekt : Objekt zu verstehen; erst in die-
sem Verhältnisse kommt das Was des Gegenstandes zum Vorschein.
(Wie früher ausgeführt, liegt dem Subjekt : Objekt-Verhältnisse das
Subjekt : Subjekt-Verhältnis zugrunde — die Gezweiung, wovon
wir aber hier absehen.) Ein wichtiger Punkt ist dabei noch folgen-
1
Vgl. mein Buch: Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage,
Wien 1
947
-
2
Vgl. oben S. 101
und unten, Drittes Hauptstück, Sittenlehre, S. 180 ff.;
ferner: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 264 und 284;
Religionsphilosophie, Wien 1947.
3
Siehe oben S. 102 f.