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Wille“

1

— bei aller Richtigkeit und bei aller Ehrwürdigkeit der

Worte doch keine ganze Wahrheit. Denn was sagt sie? Sie sagt zu-

letzt: daß es allein auf die Willfährigkeit des Subjektes zum Guten

ankomme, daß die Bereitwilligkeit, gut zu sein, das Gute sei —

das kann aber niemals wirklich ausreichen. Die Bereitwilligkeit zum

Guten, das G e w i s s e n , ist nur ein subjektives Vorstadium, dem

erst die Hauptfrage folgt: welches das objektive, überindividuelle

Ziel dieses willfährigen Strebens zu sein habe. Jene Willfährigkeit

muß sich erst zum — überindividuell — bestimmten Willen fassen

und kann erst gut sein: durch Teilnahme am guten Ziele, das heißt

durch eine Richtung, die auch objektiv auf das Vollkommene geht.

Die ontologische Begründung unseres Begriffes der Sittlichkeit liegt zuletzt

in dem Platonisch-Aristotelischen Satze: „ D a s V o l l k o m m e n e i s t f r ü -

h e r a l s d a s U n v o l l k o m m e n e“, der zu dem weiteren Satze führt:

„D as S o l l e n i s t v o r d e m S e i n“, was wir sogleich zu begründen

haben.

B.

Das R e c h t

Das Recht ist von gleichem Wesen wie die Sittlichkeit. Beide bil-

den eine Einheit und gehen ineinander über. Den heute miteinan-

der streitenden Begriffserklärungen: ob das Recht gegenüber der

Sittlichkeit durch Z w a n g gekennzeichnet sei (Rudolf Stammler

2

und viele andere), ob es nur auf das äußere H a n d e l n des Ein-

zelnen gehe, während die Sittlichkeit auch die gute G e s i n n u n g

verlange (wie Kant und die individualistischen Naturrechtler mei-

nen), ob es ein W o l l e n und Handeln oder ein S o l l e n sei (wie

die Neukantianer behaupten) — stellen wir einen grundsätzlich

anderen Standpunkt entgegen, den von der Ausgliederungsordnung

ausgehenden.

Das Recht ist eine Unterabteilung der Wiedervervollkommnungs-

ordnung. Darin liegt wohl, daß es ein S o l l e n sei. Es unterschei-

det sich aber von der Sittlichkeit hauptsächlich durch ein größeres

Maß an Besonderung, Konkretisierung. Daher ist das Recht (

κατ’-

έξοχήν

)

auch das konkreteste Recht, nämlich: die S a t z u n g e i n e r

b e s t i m m t e n A n s t a l t (Organisation); so als Verfassung eines

Staates, eines Kreises, einer Gemeinde; als Verfassung, genannt

1

Immanuel Kant: Eingangsworte zur „Grundlegung zur Metaphysik der

Sitten“.

2

Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht, nach der materialistischen Ge-

schichtsauffassung (1896), 5. Aufl., Berlin 1924.