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freie Einfuhr von Nahrungsmitteln, Ausfuhrzölle oder -verbote
auf Getreide waren die Mittel dazu (die in der Praxis, z. B. von
Colbert, gegen das Landwirtschaffsinteresse manchmal angewandt,
im Schrifttum allerdings kaum vertreten wurden).
Endlich sollte die E d e l m e t a l l e r z e u g u n g unmittelbar
durch Förderung der inländischen Gold- und Silberbergwerke (unter
Umständen mit Staatszuschüssen) gehoben werden. — Die Herein-
ziehung reicher Fremder, tüchtiger Kaufleute und Techniker, An-
kauf und Ausspähung fremder Herstellungsgeheimnisse, Aus- / fuhr-
verbote auf Edelmetalle und ähnliche kleinere Mittel sollten das
Netz der Maßnahmen zur Hebung des Volksreichtums vervoll-
ständigen.
Die Gesamtheit aller der genannten Maßnahmen zeigt, daß
die Hochschätzung des Geldes zwar ein Mittelpunkt merkantili-
stischen Denkens war, aber nicht als Selbstzweck, sondern als Han-
dels- und Gewerbeförderung, das heißt um ihrer produktiven
Wirkungen willen, galt. „G eld e r z e u g t d e n H a n d e l , u n d
d e r H a n d e l e r z e u g t d a s G e l d“, sagt der Merkantilist
Thomas Mun. Aufs bündigste drückt ein anderer Merkantilist,
Davenant, diesen Gedanken aus: „Der (auswärtige) Handel bringt
Kapital herein; dieses Kapital, gut und betriebsam angelegt, bessert
das Land und bringt mehr Erzeugnis aller Art zur Ausfuhr; sein
Rückfluß macht ein Land zum Gewinner in der Handelsbilanz.“
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Und vom Standpunkte des Finanzpolitikers sagt dasselbe Colbert:
„Ist Geld im Lande, so bewirkt die allen Menschen gemeinsame
Gewinnsucht, daß sie es umlaufen lassen [das heißt also, ihre Wirt-
schaffstätigkeit ausdehnen], und in diesem Geldumlauf findet der
königliche Schatz seinen Anteil.“
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Die besondere Gestalt des Merkantilismus war, wie gegenüber dem
vorstehenden Schema nochmals betont sei, zu verschiedenen Zeiten und
in verschiedenen Ländern verschieden. Die Grundgestalt des englischen,
1
„Trade brings in the stock; this stock, well and industriously managed,
betters land, and brings more product of all kind for exportation; the
returns of which growth and product are to make a country gainers in
the balance.“ Charles Davenant: Works, 2, 221, angeführt bei Werner
Sombart: Der moderne Kapitalismus, Bd 2, Halbband 2, 7. Aufl., Mün-
chen 1928, S. 941.
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Angeführt bei Fritz Karl Mann: Der Marschall Vauban und die
Volkswirtschaftslehre des Absolutismus, München 1914, S. 327.