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holländischen und italienischen Merkantilismus ist mehr handelsmäßig,

die des französischen, spanischen und vor allem des deutschen mehr

gewerblich. Innerhalb dieses Rahmens leiteten aber die obigen Grund-

sätze alle großen Staatsmänner vom 16. bis 18. Jahrhundert, so K a r l V . ,

E l i s a b e t h v o n E n g l a n d , C r o m w e l l , L u d w i g XIV., C o l -

b e r t , P e t e r d e n G r o ß e n , d e n K u r f ü r s t e n F r i e d r i c h

W i l h e l m , F r i e d r i c h d e n G r o ß e n , L e o p o l d I . , M a r i a

T h e r e s i a , J o s e p h I I .

I n E n g l a n d nahm trotz gleichzeitiger Pflege des Ackerbaues und

der Manufaktur der Merkantilismus eine stark handelsmäßige Richtung

an, die beispielgebend wurde. Die von Cromwell 1651 erlassene „ N a -

v i g a t i o n s a k t e “ bestimmte, daß Fischerei und Schiffahrt in den

englischen Küstengewässern, ferner der Verkehr zwischen England und

den Kolonien nur auf englischen Schiffen geübt werden dürfe, sowie daß

der übrige Warenverkehr nur auf englischen Schiffen oder Schiffen

des Herkunftslandes erfolgen dürfe. Diese Bestimmungen sicherten den

englischen Reedern ein Schiffahrtsmonopol und ruinierten dadurch Hol-

land. Im sogenannten Methuen-Vertrage (1703) sodann wurde Portugal

für die Wollindustrie erschlossen gegen Vergünstigungen bei der Einfuhr

portugiesischen Weines.

/

In I t a l i e n wieder befaßte sich das Schrifttum, dem Gepräge der

Handelsrepubliken gemäß, außer mit der Handelsbilanzlehre besonders

mit Geldfragen.

In D e u t s c h l a n d (einschließlich Österreich) trat dagegen einerseits

die Sorge um die Vermehrung der Bevölkerung in den Vordergrund, da

es durch den Dreißigjährigen Krieg zum Teil entvölkert war; andererseits

die Sorge um Abschließung vor den überlegenen fremden Großgewerben,

da infolge seiner politischen Zerrissenheit eine tätige Handelspolitik nach

außen hin oft unmöglich wurde. Deshalb spielten Luxus- und Verbrauchs-

beschränkungen hier eine größere Rolle als anderswo.

1

In F r a n k r e i c h hatte am glänzendsten und am erfolgreichsten Col-

bert das System durchgeführt, nach dem es auch „Colbertismus“ genannt

wird. Jean Baptiste Colbert wurde 1661 Generalkontrolleur der Finanzen.

Als er sein Amt antrat, stand Frankreichs Gewerbefleiß demjenigen Eng-

lands, teilweise sogar dem Deutschlands nach, Verwaltung und Finanzen

waren in verdorbenem Zustande. Aber durch Abschaffung vieler Binnen-

zölle, Bau von Kanälen, Heranziehung der besten Arbeiter und Unter-

nehmer aus allen Ländern, durch Privilegien, Prämien und Staatszu-

schüsse, namentlich auch durch ausgiebige Schutzzölle sowie Errichtung

gewerblicher Schulen und Akademien kam die Volkswirtschaft Frank-

reichs rasch zur Blüte und hatte bald sogar England überflügelt.

Eine Geldtheorie im späteren Sinne hatten die Merkantilisten nicht.

Sie waren weder Metallisten noch das Gegenteil, weder Quantitätstheo-

retiker noch das Gegenteil

2

. Ihre Fragestellungen und Denkaufgaben

waren andere. Geld war ihnen verdichteter Reichtum, das „Gut der Gü-

ter“, aber doch im Z u s a m m e n h a n g e m i t d e m G e s a m t g a n z e n

d e r W i r t s c h a f t .

1

Über älteren und jüngeren „Kameralismus“ siehe unten S. 22 f.

2

Siehe unten S. 23 ff. und öfter.