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Zum Abschlusse
Fragt man zum Schlusse, welchen Gewinn die Gesellschaftslehre
und Gesellschaftsphilosophie aus solchen Untersuchungen empfange,
so bekennen wir offen, daß die Erkenntnis der Vorrangverhältnisse
für die heute noch herrschende, aber absterbende naturalistische und
kausalistische Gesellschaftslehre aller Lager, sei es nun, daß „Sozial-
psychologie“, „Massenpsychologie“, „Beziehungslehre“, „Formen-
lehre“, „ethnologische Fundierung“, „Kindespsychologie“, „Ent-
wicklungssoziologie“ oder was immer sonst für ein Stichwort sie
leite, allerdings wertlos sei; daß aber jene Gesellschaftslehre, die auf
dem ganzheitlichen Verfahren beruht und darum auch den erhe-
benden Begriff der Gezweiung als den tragenden ihr eigen nennt,
in dem Begriff des V o r r a n g e s u n d d e n V o r r a n g s ä t z e n
ein Forschungsmittel besitze, das erstens den sogenannten „K a u -
s a l g e s e t z e n “ der naturalistischen Soziologie entgegenzusetzen
ist, diese angeblichen Gesetze e r s e t z t , und zweitens nichts Ge-
ringeres als die Erkenntnis der Vollkommenheit, des reinen We-
sens, also auch des „Wertes“, ermöglicht. V o r r a n g l e h r e i s t
V o l l k o m m e n h e i t s l e h r e .
Damit ist der gespenstische Traum einer „wertfreien Wissen-
schaft“ für immer gebannt und ebenso jener der Soziologie als
Naturwissenschaft. Der Vorrang ist ein Begriff, der die Wissenschaft
zum Eindringen in das tiefste Innere des Baues der Gesellschaft,
zum Emporsteigen auf der goldenen Leiter ihrer Wandlungen be-
fähigt. Die Schöpfungsgedanken der Gesellschaft liegen offen vor
unseren Augen da, es ist an uns, sie nachzudenken und ihnen nach-
zuleben.
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