D r i t t e s H a u p t s t ü c k
Sittenlehre
Die Gesellschaftsphilosophie ist in ihrer Eigenschaft als Lehre
vom gesollten oder vollkommenen Sein der Gesellschaft nichts Ge-
ringeres als: Sittenlehre.
Vorranglehre ist Vollkommenheitslehre. Denn die Vorrangsätze
beruhen auf der Erkenntnis der Gesellschaft ihrem reinen Wesen,
ihrer Vollkommenheit nach. Und aus dieser Tatsache bestimmt sich
die Systematik der Gesellschaftsphilosophie, insbesondere die grund-
legende Stellung der Sittenlehre. Während die zergliedernde Gesell-
schaftslehre von der Untersuchung der Ausgliederungsordnung der
Gesellschaft zur erfahrungs- / mäßigen und geschichtlichen Be-
stimmtheit des Gegenstandes weitergeht, hat die Gesellschaftsphilo-
sophie die Aufgabe, die R a n g b e s t i m m u n g e n w e i t e r -
z u v e r f o l g e n und die gesellschaftliche Ausgliederung in ihrer
Vollkommenheit zu untersuchen. Das hat aber für den begrifflichen
Aufbau der Gesellschaftsphilosophie die Bedeutung, daß in ihrer
Systematik die Sittenlehre vorangeht. Darum sehen wir denn auch
in der Geschichte der idealistischen Systeme von Platon bis Hegel
überall die Sittenlehre das Ganze ihrer Gesellschaftsphilosophie be-
stimmen.
Bei P l a t o n , A r i s t o t e l e s , T h o m a s , H e g e l , d e n
R o m a n t i k e r n , überall steht die Lehre von der richtigen Ge-
staltung des geistigen Gehaltes der Gemeinschaft und des Einzel-
nen, steht die Vollkommenheits- oder Sittenlehre am Anfange des
Begriffsgebäudes.
Bei den empiristischen Lehrgebäuden allerdings kommt sie hinterdrein. Das
ist nur folgerichtig. Denn die Empiristen wollen nur eine Nützlichkeitsethik,
und noch dazu eine subjektivistische, begründen. Das Sittliche geht hier nicht
auf eine Vollkommenheitsordnung des Uber-Dir, die allem voranleuchtet, son-
dern ist nur eine Abänderung oder Mehrung: das Nützliche auf allen Gebieten
des Geistes und der Sinnlichkeit. Daher kommt bei ihnen der E i n z e l n e