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Stellung, ein Heilungsvorgang einsetzen, um die Fehlausgliederung

wettzumachen. Daraus folgt:

Es gibt zweierlei Gutes. Das u r s p r ü n g l i c h G u t e o d e r

V o l l k o m m e n e

u n d

d a s

w i e d e r h e r s t e 1 1 e n d e

G u t e o d e r d i e W i e d e r v e r v o l l k o m m n u n g d e s

U n v o l l k o m m e n e n . Wir nennen das erste auch das ontolo-

gisch Vollkommene oder ontologisch Gute, zu ihm gehört das Geist-

ursprüngliche jeder Kultur (als Reinausgegliedertes). Die Sitten-

lehre und die gesamte Gesellschaftsphilosophie hat es mit dem wie-

derherstellenden Guten zu tun. Aber das ontologisch Gute, das ur-

sprünglich Vollkommene, erscheint dennoch in ihr wieder: als

Z i e l , zu dem sich das wiederherstellende Gute hinzubewegen hat.

Aus diesem Verhältnis ergeben sich von selbst die Grundbegriffe

der Sittenlehre, die wir übrigens schon früher begründeten: der

Begriff des Gutes als Ziel gefaßt; des Heilsgutes als Moment der

Wiederherstellung gefaßt; der Tugend; der Pflicht; sowie der ganze

übrige Begriffsbau der Sittenlehre überhaupt

1

. Und da die Men-

schen, die diese Güter erstreben, nur als G l i e d e r des gesell-

schaftlichen Gesamtganzen bestehen, ist damit auch die Gezweiung

und das mit ihr verbundene Begriffselement der Sittlichkeit: Liebe,

das ist Gezweiungsbewußtsein, Mittewendigkeit, gegeben.

A. Das u r s p r ü n g l i c h e G u t

Der erste Grundbegriff der Sittenlehre ist das Gut.

Sobald ein Wiederherstellungsvorgang einsetzt, ist jenes Voll-

kommene oder Gute, welches als Ziel der Wiederherstellung ins

Auge gefaßt wird, das Vollkommenheitsgut oder Gut schlechthin

(bonum,

τό α

ϒ

αθον

).

/

Der Ausdruck „Gut“ ist altüberkommen, aber nicht durchaus glücklich, da

er nicht eindeutig ist. Das Vollkommenheitsgut — z. B. für den Nichtwissenden

das Wissen, die Wahrheit — ist das Z i e l der Wiedervervollkommnung, das

I d e a l desselben, der W e r t , dem zugestrebt wird. „Gut“ bedeutet alles

dieses.

In anderen Zusammenhängen bedeutet „Gut“ aber nur ein objektives Moment

im Vervollkommnungsvorgange, also ein inneres Gut, wir nennen es dann

H e i l s g u t oder wiederherstellendes Gut; in wieder anderen Fällen bedeutet

1

Siehe darüber oben S. 180 ff., unten S. 220 ff.