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„Gut“ nur die äußerliche Förderung bei Erlangung des Vollkommenen — das

w i r t s c h a f t l i c h e Gut oder äußere Mittel (z. B. Papier und Tinte für den

Lernenden

1

). Diese Arten von Gütern sind also nicht ursprünglich, daher später

eigens zu behandeln.

Die Wiederherstellung kann sich sowohl auf ein Gebilde des

objektiven Geistes, z. B. Kunstgemeinde, Staat, wie auch auf den

einzelnen Menschen beziehen. Das Gut ist aber stets das übergeord-

nete Gegenständliche, mit dem das wiederherzustellende Gebilde

oder Subjekt sich erfüllen soll. Daher denn in der aristotelischen

Philosophie der Begriff des Gutes und seine Übersubjektivität allein

schon durch die Fragestellung richtig gekennzeichnet wird: Ein Gut

für wen? bonum cui?

2

Diese Frage bezeichnet das Wesen des Gutes nicht im subjektiven

Sinne, sondern im Sinne des vom jeweiligen Sachgehalte des gesell-

schaftlichen Gebildes oder einzelnen Menschen Geforderten. Denn

das Vollkommene, das einem Menschen oder einem gesellschaftlichen

Gebilde fehlt, ist für sie ein Gut; und zwar nicht in dem Sinne, daß

das Vollkommene zum Unvollkommenen ä u ß e r l i c h hinzu-

käme (das trifft nur für das äußere oder wirtschaftliche „Gut“ zu),

sondern in dem Sinne, daß es das Unvollkommene durchdringe,

umbilde, wie z. B. das Wissen den Unwissenden. Überall bedeutet

daher der Wiederherstellungsvorgang, der das Unvollkommene mit

dem Gute erfüllen und dadurch vollkommen machen soll, das sitt-

lich Gute.

D a h e r s t e h t a n d e r S p i t z e d e r S i t t e n l e h r e

d i e G ü t e r l e h r e — nicht die Pflichtenlehre, auf welche Kant die

Ethik einschränken wollte, nicht die Tugendlehre. Güterlehre ist die

Lehre von denjenigen Wesenheiten, mit denen sich die unvollkom-

mene Gesellschaft erfüllen muß, um sich zur Vollkommenheit um-

zubilden.

Daraus folgt auch unmittelbar: Die R i c h t u n g a u f d a s

V o l l k o m m e n e , d i e d a s s i t t l i c h e H a n d e l n a n -

n i m m t , i s t s c h ö p f e r i s c h . Denn das vervollkommnende

1

Vgl. unten S. 198 f.

2

Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, übersetzt und erläutert von Eugen

Rolfes (= Philosophische Bibliothek, Bd 5), 2. Aufl., Leipzig 1921, I, 1, 1094a,

Zeile 18, S. 1; 4, 1096b, Zeile 13, S. 7; Topik, übersetzt und erläutert von Eugen

Rolfes ( = Philosophische Bibliothek, Bd 12), 2. Aufl., Leipzig 1921, IV, 1, 116b, 8.