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kommene oder Sittlichkeit —, findet seine natürliche Entsprechung

in z w e i e r l e i G ü t e r n : dem ursprünglichen Gut und dem

wiederherstellenden oder Heilsgut.

Der Stufenleiter der ursprünglichen Güter entspricht auch eine

zugehörige Stufenleiter der Heilsgüter. Erst von dem Begriffe der

Stufenleiter aus verstehen wir ganz den in der praktischen Sitten-

lehre, im Leben und in der geschichtlichen Entwicklung ebenso wie

in der Erziehung so wichtigen und für die Güterlehre grundlegen-

den Satz:

Das Bessere ist des Guten Feind. Die Heilsgüter bleiben, was sie

sind, stets wertvoll; aber je nach dem Vorrange und dessen jewei-

ligem Stufenwerte sind sie verschieden — und der jeweilig höhere

Wert, das „Bessere“, wird wesensgemäß vorgezogen.

Der Satz „Das Bessere ist des Guten Feind“ schließt auch das

nur V e r h ä l t n i s m ä ß i g e

a l l e r

g e s c h i c h t l i c h e n

u n d p e r s ö n l i c h e n S i t t l i c h k e i t auf. Mit diesem Satze

haben wir daher einen Schlüssel zum Verständnis des Wechsels der

verschiedenen Anforderungen, die an die gesellschaftliche und sub-

jektive Sittlichkeit zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Län-

dern, unter verschiedenen Umständen, in verschiedenen Altersstufen

und bei verschiedenen Begabungsarten gestellt werden! Die „Relati-

vität“ des Sittlichen, welche die empiristisch-naturalistischen Lehr-

gebäude so sehr hervorheben, wird von hier aus, obzwar nicht voll-

ständig, erklärt. Vollständig darum nicht, weil nicht ausschließlich

in den Heilsgütern, die je nach dem Stadium der Wiederherstellung

und je nach den geschichtlichen Umständen notwendig wechseln,

jenes Veränderliche liegt, das die Sittengeschichte und die Völker-

kunde zeigt: Es liegt außerdem in den ursprünglichen Gütern selbst.

Wie ist das zu erklären? Wenn man vor der Vielheit der geschicht-

lich Vorgefundenen Sittlichkeiten ratlos zu stehen pflegt, so möge

man sich nur an den Quell aller Güter halten: an das Metaphysisch-

Religiöse. Die verschiedene Auffassung des höchsten Gutes, die Ver-

schiedenheit des Gottesbegriffes der Religionen ist es, die den ver-

schiedenen Bau und Inhalt der Sittlichkeiten zuletzt überall erklärt.

Von den tiefer liegenden Gründen dafür hat nicht mehr die Sitten-

lehre selbst, sondern nur die Metaphysik zu sprechen.

/

Demgemäß ist die geschichtliche und völkerkundliche Verhält-