Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5078 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5078 / 9133 Next Page
Page Background

202

[130/131]

Idealismus

1

und der größte Teil der neueren Sittenlehre

2

/ räu-

men dem Pflichtbegriff eine beherrschende Stelle im Begriffsgebäude

der Sittenlehre ein.

K a n t erklärte die Pflicht als die vernünftige, die „objektive

Notwendigkeit einer Handlung aus Verbindlichkeit“

3

. Daher bei

ihm der Gegensatz von Pflicht und Neigung. „Pflicht! Du erhabener

großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei

sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch

auch nicht drohest, was natürliche Abneigung im Gemüte erregte

und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern bloß ein Gesetz

aufstellst, welches von selbst im Gemüte Eingang findet, und doch

wider Willen Verehrung (wenngleich nicht immer Befolgung) er-

wirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich bei

ihm entgegenwirken

4

.“

Wir müssen aber die grundlegende Stellung des Pflichtbegriffes,

wie sie K a n t u n d F i c h t e fordern, leugnen. Nur in einer sub-

jektivistischen Sittenlehre, niemals in einer objektivistischen, onto-

logisch und soziologisch begründeten kann der Pflichtbegriff im

1

Vgl. Schleiermacher (siehe unten S. 218); Johann Ulrich Wirth: System der

speculativen Ethik, 2 Bde, Heilbronn 2841 f.; Immanuel Hermann Fichte: System

der Ethik, 3 Bde, Leipzig 1850 ff. (entwickelt auch eine Güter- und Tugendlehre);

Hermann Lotze entwickelt den Wertbegriff.

2

Von den E m p i r i s t e n nenne ich nur: Friedrich Jodl: Allgemeine Ethik,

herausgegeben von Wilhelm Börner, 2. Aufl., Stuttgart 1928; Wilhelm Wundt:

Ethik, 4. Aufl., Stuttgart 1922; Ernst Laas: Idealismus und Positivismus, Berlin

2879 ff. (besonders zweiter Teil); Harald Höfding: Ethik, übersetzt von F. Ben-

dixen, 2. Aufl., Leipzig 2902; Albert Schäffle: Bau und Leben des sozialen Körpers,

2. Aufl., Tübingen 2896.

Von den N e u k a n t i a n e r n : Wilhelm Windelband: Geschichte und Natur-

wissenschaft, in: Präludien, Bd 2, 4. Aufl., Tübingen 1921, S. 164 ff.; Hermann

Cohen: System der Philosophie, Teil 2: Ethik des reinen Willens, 2. Aufl., Berlin

1907

Eine Ausnahme macht Max Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die

materielle Wertethik, Neuer Versuch der Grundlegung eines ethischen Persona-

lismus, Teil 2, Halle 2923, welcher nach Lotzes Vorgang systematisch an die

Stelle des formalen Pflichtbegriffes den Wertbegriff in der Ethik setzte und unter

den Modernen wieder als erster eine materielle Wertethik anstrebte. Ihm folgt

zum Teile Nicolai Hartmann.

3

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (= Kants Werke,

herausgegeben von der Kgl. preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd 4),

Berlin 2908, S. 439.

4

Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft (= Kants Werke, Bd 5),

S. 86.