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In der Sittenlehre ist die Gezweiung von ihren beiden Seiten her

zu betrachten: der Ausgliederung und der Rückverbundenheit.

In der Gezweiung als Mit-Ausgegliedertheit mit einem andern

Geiste (dem Aneinander-Werden) liegt Hingebung. In der Gezweit-

heit des Einzelnen liegt andererseits Enthaltensein in dem durch

den Gezweiungsvorgang entstandenen Ganzen (dem geistigen Ge-

bilde, der Gemeinschaft); Enthaltensein, also Mit-Rückverbunden-

heit, ist Eingegliedertheit des Einzelnen im Gesamtgeiste der Ge-

sellschaft.

Damit sind aber zwei neue sittliche Grundbegriffe gegeben, die

zu den bisherigen hinzukommen: nach der subjektiven Seite hin das

hingebende Bewußtsein, das seine reinste Form in der L i e b e

findet (denn kein Selbstsein ist möglich ohne Sein-im-andern, ohne

Hingabe an den andern); nach der objektiven Seite hin die richtige

Eingegliedertheit, die ihre reinste Form in der M i t t e w e n d i g -

k e i t des Gliedes findet. Die Mittewendigkeit des Gliedes ist mit

dessen Rückverbundenheit in seiner Ausgliederungsmitte bezeich-

net. Sie ist die richtige Eingegliedertheit, das richtige Enthaltensein

im objektiven Geiste, und in diesem Sinne die o b j e k t i v e

G e r e c h t i g k e i t ; nicht die subjektive, wie sie der Einzelne

erkennt und übt, sondern die übersubjektive, vom Sachgehalte des

Gegenstandes geforderte, welche vom Subjekte nur gefunden, nicht

geschaffen wird. Gerechtigkeit in dieser ihrer objektiven Form ist

keine Tugend, sondern eine ontologische Gestaltung der Eingeglie-

dertheit, die Rückverbundenheitsseite der Gezweiung.

/

Die Geisteslehre zeigte, daß die Gezweitheit aller geistigen Tä-

tigkeiten des Einzelnen eine Urbeschaffenheit sei, die alle Beschaf-

fenheiten des Geistes als H e r z e n s f ü l l e u n d I n n i g k e i t

begleitet; daher diese der wahren Sittlichkeit nirgends fehlen dür-

fen. Da demgemäß Hingabe und Mittewendigkeit am Anfange des

geistigen Werdens der Menschen stehen, ermöglichen sie den sitt-

lichen Vorgang der Wiedervervollkommnung und leiten ihn zu-

gleich ein.

Sie e r m ö g l i c h e n ihn dadurch, daß der einzelne Mensch

und die einzelne Geistestat nicht für sich allein dastehen, sondern

schon von Geburt an gliedhaft sind; ihnen ist daher der Zustand

reiner, vollkommener Gliedhaftigkeit nicht unerreichbar, nichts

Jenseitiges. Einen anderen Weg zum Zustande der Vollkommen-