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wendig voneinander zu scheiden sind. Auch die Trennung des

Tugendgrundes, als / der Voraussetzung und Einleitung des Sitten-

vorganges, von der Tugend selbst sowie die Heraushebung des Heils-

gutes aus den andern Momenten der Tugendausübung sind, obzwar

notwendige und unentbehrliche Unterscheidungen, doch nicht so

grundlegend wie die Unterscheidung des Zieles oder Gutes und des

Vervollkommnungsganges als solchen, nämlich der Tugend in ihrer

Ausübung. Daß endlich die Pflicht der Tugend folge, zeigte sich

deutlich.

Überall in den idealistischen Sittenlehren drehen sich in Wahrheit die Unter-

suchungen um die beiden Pole: Gut und Tugend. Unter welchen anderen Namen

dies immer geschehe, sei es unter dem der „Pflichtenlehre“ oder unter dem der

„Werte“: das Ziel des sittlichen Herganges, das Gut, und seine arteigene Gestalt,

die Tugend, ist doch dabei das Entscheidende. Gerade in den systematisch am

weitesten ausgebildeten Sittenlehren des Spätidealismus, jenen von S c h l e i e r -

m a c h e r

1

, Johann Ulrich W i r t h

2

, dem jüngeren F i c h t e

3

und Heinrich

Moriz C h a l y b ä u s

4

ließe sich das nachweisen. Bei Schleiermacher z. B. um-

faßt der Pflichtbegriff das, was zwischen Tugend und dem höchsten Gute liegt:

die sittliche Handlung selbst oder das Gesetz derselben. Aber eben das ist die

Tugend: Oder wollte man es -dennoch Pflicht nennen, so müßte man die Tugend

auf eine leere Fähigkeit zur Pflichtausübung herabmindern. — Die sachliche Leer-

heit des Pflichtbegriffes zeigt sich bei Schleiermacher auch in den vielen Wieder-

holungen, die seine gesonderte Durchführung der Pflichten- und Tugendlehre

bedingt; allerdings auch der Güterlehre, da Schleiermacher den Begriff des Gutes

anders faßt.

Schleiermachers Verdienst ist es jedoch, im Gegensatze zu Kant und dem älte-

ren Fichte, die Sittenlehre als Güter-, Tugend- und Pflichtenlehre bestimmt zu

haben. Der Mangel dabei war indessen, daß er das Sittliche als das „Handeln

der Vernunft auf die Natur“ bestimmt, wodurch diejenigen sittlichen Handlun-

gen, in welchen der Geist sich selbst zum Gegenstande hat, ausgeschlossen wer-

den — die wichtigsten! Dadurch konnten auch die Begriffe Gut, Tugend, Pflicht

keine richtige Bestimmung erhalten. Das Gut soll das Werk der Sittlichkeit sein

und die Pflicht der Weg zu diesem Werke, die Tugend der Ausgangspunkt, näm-

lich die Wirksamkeit der naturbeherrschenden Vernunft in der menschlichen

Persönlichkeit. Aus diesen, offenkundig unzulänglichen Bestimmungen ergibt sich

dann die Fehleinteilung des Systems — eine eigene Pflichtenlehre neben der

Tugend- und Güterlehre, was unwahre Schematisierungen und Wiederholungen

mit sich bringt.

1

Das nachgelassene Werk Schleiermachers: Entwürfe zu einem System der

Sittenlehre, neuerdings abgedruckt in Schleiermachers Werken, herausgegeben

von Otto Braun, Bd 2, Leipzig 1913.

2

Johann Ulrich Wirth: System der speculativen Ethik, 2 Bde, Heilbronn

1841 f.

3

Immanuel Hermann Fichte: System der Ethik, 2 Bde, Leipzig 1850 ff.

4

Heinrich Moriz Chalybäus: System der speculativen Ethik oder Philosophie

der Familie, des Staates und der religiösen Sitte, 2 Bde, Leipzig 1850.