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haben. Als durchaus selbstverständlich, aber gerade darum unaus-
gesprochen, lebt diese Erkenntnis auch in den großen Mystikern, in
den großen Heiligen. Denn diese Menschen, deren Leben ganz auf
die tiefen schöpferischen Augenblicke des menschlichen Lebens ge-
stellt ist, während ihnen die andern „trocken“ heißen, wissen am
lebendigsten von der einzigen Bedeutung des Schöpferischen.
Meister Eckehart: „Wer diese Predigt verstanden hat, dem gönn’ ichs wohl.
Wäre hier niemand gewesen, ich müßte sie diesem Stocke gepredigt haben. Es
sind etliche arme Leute, die kehren wieder heim und sprechen: ich will sitzen auf
meiner Stätte und essen mein Brod und dienen Gott. Ich spreche bei der Wahrheit,
daß diese Leute müssen verirret bleiben noch nimmer mögen erfolgen noch er-
kriegen, was die andern erfolgen, die Gott nachfolgen in Armut und Ellendig-
keit
1
.“
Hegel bestimmt den großen Führer als jenen, der in den jeweili-
gen Entfaltungsstufen des Weltgeistes sagt, „was an der Zeit ist“. Er
nennt ihn darum den „Geschäftsführer des Weltgeistes“. Diese Be-
stimmung blickt tief in den Gang der Geschichte. Aber sie erschöpft
nicht die Rolle noch die Natur des großen Menschen und Führers.
Anfang und Ende desselben ist: Schöpferkraft, die aus den Tiefen
des Weltgeheimnisses aufsteigt und die innersten Forderungen des
Gegenstandes ausspricht. Auch wenn diese Forderungen noch nicht
„an der Zeit“ sind, der große Mann also nicht der „Geschäftsführer
des Weltgeistes“ ist, bleibt das vom Schöpfergeist erkannte wahr
und wird einmal zur Menschheit sprechen. Mozart ist bis heute
unverstanden. Was verschlägt es? Er kann warten. Allerdings soll
noch ein Zweites hinzukommen. Zum Führer gehört auch, daß er
in die Gezweiungsvorgänge der Gesellschaft mächtig eingreife und
also auch bei den andern Kraft und Werk hervorlocke. Aber wesent-
lich ist dabei, daß diese Wirkung des / Genies auch auf später auf-
gehoben werden könne. Sie kann lange nach seinem Tode eintreten
und doch bleibt er der schöpferische Geist, der wahrhaftigste Füh-
rer. Platon konnte in den Gang seiner Zeit nicht eingreifen, dem
demokratischen Verfall nicht Einhalt tun. Er wirkte aber später,
wirkt heute noch und wirkte darum mehr als Perikies.
Um das ganz zu verstehen, darf man nie vergessen, daß die ge-
samte gesellschaftliche „Tatsachenwelt“ nichts Sinnlich-Stoffliches
zum Greifen, sondern ein geistiger Vorgang, unaufhörliche geistige
1
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer (= Deutsche Mystiker
des 14. Jahrhunderts, Bd 2), Leipzig 1857, S. 181, Zeile 20 ff.