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Wie man sieht, k a n n m a n d i e Z a h l u n g s b i l a n z a l s e i n e

e r w e i t e r t e W a r e n b i l a n z a u f f a s s e n ; denn g e z a h l t w i r d

z u l e t z t i m m e r n u r „ W a r e “ m i t „ W a r e “ — bloß ist ein Teil

dieser „Waren“ unsichtbar, nämlich Leistungen und geistige Güter (z. B.

Erbrechte, Patente).

Indem solchermaßen die Zahlungsbilanz doch ein anderes Ge-

sicht hat als die Warenbilanz, ist es möglich, was die Erfahrung

so oft zeigt, daß nämlich die Zahlungsbilanz eines Landes aktiv,

die Warenbilanz für sich aber passiv ist. So stand es vor dem Kriege

1914 in England, Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich —

in den reichen Ländern!

Diese konnten auf die Dauer eine passive, ungünstige Warenbilanz

ertragen, weil sie die Zinsen ausländischer Schuldpapiere, die sie besaßen,

die Gewinne an ausländischen Unternehmungen usw. zu solchen Zahlun-

gen befähigten. Zum Beispiel betrugen allein die Zinsen, die Deutschland

auf diese Weise jährlich vom Ausland vor 1914 erhielt, schätzungsweise

eine halbe Milliarde Goldmark. Hingegen hatten vor 1914 das agrarische

Rußland, die Balkanländer, Argentinien, auch die reichen Vereinigten

Staaten (noch um 1900) eine aktive Handelsbilanz, weil sie vom Erlös

ihrer Ernten die Schuldzinsen und Leistungen an das Ausland bezahlen

mußten.

Genauer kann man vier Fälle der Wirtschaftsbilanz unterscheiden:

(1)

dauernd passive Waren- und Zahlungsbilanz aus produktiver Ver-

schuldung (Fall junger Ackerbauländer, besonders junger Kolonialländer);

(2)

aktive Warenbilanz und passive Zahlungsbilanz durch Rückzahlung

der Schulden mittelst Warenausfuhr (entwickelte Ackerbauländer, z. B.

USA um 1900);

(3)

passive Warenbilanz durch aktive Zahlungsbilanz aus Kapitalan-

lagen im Auslande (England, Deutschland vor 1914);

(4)

passive Warenbilanz und passive Zahlungsbilanz durch dauerndes

Einströmen fremden Kapitals auf Borg bei krisenhafter gewerblicher

Neuausstattung und zum Verbrauche (Deutschland 1919 bis 1933, Öster-

reich 1919 bis 1938). Bei (1) ist die Passivität, und dauerte sie 100 Jahre,

ein günstiges, bei (4) ein ungünstiges Zeichen.

Aus alledem folgt: Eine dauernd passive Handels- und Zahlungs-

bilanz kann hier ein günstiges, dort ein ungünstiges Zeichen sein.

Der Standpunkt der heutigen Wissenschaft gegenüber der mer-

kantilistischen Handelsbilanzlehre ist geteilt.

a. Die sogenannten k l a s s i s c h e n Schulen sagen: Der Be-

griff der Handelsbilanz ist überhaupt kein gültiger Begriff. Denn

die Handelsbilanz ist nur die S u m m e a l l e r P r i v a t b i l a n -

z e n. Der Wirtschaftsablauf setzt sich aus Beziehungen der einzel-

nen Wirtschafter zusammen, nicht aus Beziehungen von Volkswirt-

schaft zu Volkswirtschaft. Es macht darum wirtschaftlich keinen

Unterschied, / ob zwei Bürger desselben Staates, z. B. in Wien und