Table of Contents Table of Contents
Previous Page  515 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 515 / 9133 Next Page
Page Background

[19]

29

Linz, oder verschiedener Staaten, z. B. in Wien und Zürich, mitein-

ander Geschäfte machen. Und es ist darum, so könnte man diesen

Gedanken auch ausdrücken, willkürlich, gerade die Privatbilanzen

von Wien bis Passau zu summieren, ebensogut könnte man die von

Linz und Zürich zusammenzählen. — Der Begriff der Handels-

bilanz ist nach dieser Lehre theoretisch grundsätzlich unhaltbar und

wirtschaftspolitisch bedeutungslos

1

.

Außerdem regelt sich nach ihr, wie früher erwähnt, der Geldumlauf

entgegen der Handelsbilanzlehre „automatisch“: Kommt infolge einer

günstigen Handelsbilanz mehr Geld ins Land, so steigt die Geldmenge,

infolgedessen steigen die Preise des Inlandes im Verhältnisse zum Aus-

lande ( „ Q u a n t i t ä t s t h e o r i e “ ) , infolgedessen steigt wieder die Ein-

fuhr. Darum ist es das beste, wenn sich die Regierungen in den Handel

gar nicht einmischen ( „ F r e i h a n d e l s l e h r e

a.

Die g e s c h i c h t l i c h e Schule nimmt einen vermitteln-

den Standpunkt ein und sagt: Die Handelsbilanz ist nach geschicht-

lich wechselnden Verhältnissen zu beurteilen; die merkantilistische

Auffassung von ihrer Bedeutung ist daher übertrieben und schablo-

nenhaft; praktisch leistete sie jedoch für die damalige Zeit sehr viel,

da aus der Naturalwirtschaft aufstrebende Länder fast nur durch

aktiven Warenhandel ihre auswärtigen Schulden zahlen und ihre

inneren Umlaufsmittel vermehren können; heute haben aber ge-

rade die reichen Länder eine passive Handelsbilanz.

Dieser Standpunkt der „geschichtlichen Relativität“ ist unhaltbar, da

damit über die grundsätzliche Bedeutung der Handelsbilanz nichts aus-

gesagt ist. Mit bloßer Theorielosigkeit kann man eine Theorie nicht wider-

legen.

b.

Die r e a l i s t i s c h e Schule (eine Abart der geschichtlichen)

sagt etwa: Die Merkantilisten haben Unrecht, weil sie von der Han-

delsbilanz statt von der Zahlungsbilanz sprechen, gerade die reichen

Länder haben infolge ihrer auswärtigen Kapitalanlagen eine passive

Handelsbilanz.

Dieser Einwand ist geschichtlich nicht richtig, da den Merkantilisten

jener Unterschied nicht unbekannt war; theoretisch aber oberflächlich,

denn er gibt keine Lösung, sondern läßt die Frage nach der Bedeutung

der Aktivität und Passivität für die Zahlungsbilanz offen.

c.

Die u n i v e r s a l i s t i s c h e Schule erkennt dagegen den

Begriff der Handelsbilanz grundsätzlich an. Die Handels- und Zah-

1

So Adam Smith, unter vielen Neueren z. B.: Leo Petritsch: Die

Theorie der sogenannten günstigen und ungünstigen Handelsbilanz,

Graz 1902.

2

Siehe unten S. 71 und 101.