Table of Contents Table of Contents
Previous Page  519 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 519 / 9133 Next Page
Page Background

[22/23]

33

weise anbahnten. Aber schon im mittelalterlichen Nominalismus so-

wie in der Schrift des M a r s i l i u s v o n P a d u a („Defensor pacis“,

1324)

1

liegen individualistisch-naturrechtliche Gedankengänge vor.

Marsilius vertritt klar die Souveränität des Volkes im Staate und in

der Kirche. — Althusius entwickelt den Gedanken, / daß der Staat

auf freiwillig eingegangenem Vertrag beruhe, legt allerdings zu-

gleich die „gesellige Natur“ des Menschen zugrunde. Grotius löst

den Staat vom Fürsten los und gründet ihn auf den Willen des Bür-

gers, indem er von „unveräußerlichen, unzerstörbaren Naturrech-

ten“ des Einzelnen ausgeht, die er aber aus der „ursprünglichen ge-

selligen Natur des Menschen“ ableitet, so daß auch hier noch das

soziale Prinzip neben dem individualistischen (unausgeglichen) ein-

hergeht. Das „natürliche Recht“ des Einzelnen erklärt er als ein

Gebot der Vernunft, nach welchem einer Handlung durch ihre

Übereinstimmung mit der vernünftigen Natur des Menschen Not-

wendigkeit zukommt.

Das Naturrecht ist ein in der menschlichen Natur begründetes, durch

Vernunftgebrauch gebildetes, durch Vernunft erkennbares, für alle Zei-

ten gültiges und gleichartiges Recht. Für diesen Standpunkt wird somit

die menschliche Vernunft zur Recht erzeugenden Kraft, und zwar die

Vernunft des Einzelnen, des abstrakt für sich, gleichsam als Atom ge-

dachten Einzelnen. Dadurch ist das Naturrecht 1. ein i n d i v i d u a l i -

s t i s c h e s , 2 . e i n r a t i o n a l e s , 3 . e i n u n g e s c h i c h t l i c h e s

Recht.

Das neuere Naturrecht wird aber ungleich begründet, entweder

nur aus dem Individuum heraus: reiner Individualismus; oder unter

Zuhilfenahme gesellschaftlicher Elemente: vermittelnde Formen des

Individualismus

2

. Die e r s t e r e G r u p p e v o n T h e o r e t i -

k e r n s c h a r t s i c h u m H o b b e s , d i e l e t z t e r e , g e -

m ä ß i g t e u m L o c k e .

Als Erster erklärte der englische Philosoph

Thomas Hobbes

(Hauptwerk: „Leviathan“, 1651) das staatliche Zusammenleben der

Menschen nach dem Naturrecht streng individualistisch. Hobbes

1

Verfaßt gemeinsam mit J o h a n n v o n J a n d u n o .

2

Von den Vermittlungen und Vorbehalten, die sich bei den meisten

Naturrechtlern finden — sei es vom Standpunkt der Religion, sei es vom

Standpunkte geschichtlicher Notwendigkeit aus —, ist im Obigen ab-

gesehen. Denn es handelt sich nicht um diese, sondern um die Erkennt-

nis der g r u n d s ä t z l i c h e n , d e r s y s t e m b e s t i m m e n d e n

G e d a n k e n . — Vgl. z. B. Thomas Hobbes: Leviathan, London 1651,

chapter XIV.