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Der Merkantilismus stellt ein Ü b e r g a n g s g e b i l d e dar. Er

ist seinem reglementierenden, überall zugunsten des Staates und des

Gesamtwohles eingreifenden Streben nach als organisch, als univer-

salistisch zu / bezeichnen; er ist aber seiner inhaltlichen Richtung

nach einerseits materiell, äußerlich berechnend (Geldreichtum vor

Naturalreichtum!), andererseits mechanisierend (indem er die Po-

sten der Handelsbilanz zu sehr nach ihrer Menge, zuwenig nach

ihrer volkswirtschaftlichen Verrichtung wertet); er ist endlich in

seinem zentralisierenden, den Körperschaftsgrundsatz — das im wei-

testen Sinne des Wortes Ständische — zurückdrängenden Streben

atomisierend. Sowohl der mechanisierende wie atomisierende Zug

ist aber individualistisch. Da aber der Merkantilismus in der Tat die

Körperschaften und Innungen doch in weitestem Maße bestehen

läßt, kann man sagen, daß praktisch der aufs Ganze gehende Zug,

der universalistische Zug, vorherrscht, allerdings aber daneben ein

mechanischer und individualistischer Zug am Werke ist

1

. Der

deutsche „K a m e r a l i s m u s “ hat übrigens die organischen Züge

ungleich mehr bewahrt als die englisch-französischen Schulen des

Merkantilismus.

III.

III. Die individualistische Volkswirtschaftslehre

A. Die p h i l o s o p h i s c h e n G r u n d l a g e n

Das Wesentliche der individualistischen Volkswirtschaftslehre

aller Schulen ist, daß sie nicht von wirtschaftlichen Ganzheiten und

ihren Gliederungen (Fronhofwirtschaften, Stadtwirtschaften, Volks-

wirtschaften, Zünften, Betrieben, Standesgliederungen) ausgehen,

sondern von dem einzelnen Wirtschafter und seiner einzelnen

Handlung. Alle Wirtschaft ist ihr ein Mosaik von Handlungen Ein-

zelner, sie ist ihr nicht die Ausgliederung einer Ganzheit, an der,

wie z. B. an der Zunft, die Einzelnen als Glieder teilnehmen

2

.

alter), 2. und 3. Aufl., Leipzig 1913, S. 520 ff.; Ludwig Freiherr von Pastor:

Geschichte der Päpste, Bd 1, 5.—7. Aufl., Freiburg 1925, S. 86 ff.

1

Eine kurze Darstellung der Wirtschaftslehre des Merkantilismus gibt

mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher

Grundlage, 26. Aufl., Heidelberg 1949, S. 6 ff.

2

Weiteres siehe darüber unten bei den einzelnen Schulen.