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Die philosophischen Grundlagen der individualistischen Volks-

wirtschaftslehre liegen im Empirismus. Der empiristische Gedan-

kengang hat, wie bekannt, seinen Kern in der Ansicht, daß sich alle

Erkenntnis ihren letzten Elementen nach in äußere Erfahrung, und

zwar zuletzt (folgerichtigerweise) in sinnliche Wahrnehmung auf-

löse (Sensualismus)

1

.

Ebenso wie der Empirismus in der Erkenntnistheorie den Wahr-

heitsbegriff zerstört und in Relativismus endet (da je nach der

wechselnden Sinneserfahrung auch unsere Erkenntnis wechseln

muß); ebenso wie er in der Psychologie den Seelenbegriff auflöst,

da er Ich und Seele durch eine Summe von Vorstellungen (durch den

Begriff bundle or collection, wie Hume sagte), ersetzen muß und in

einer Assoziationsmechanik der Vorstellungen endet; ebenso zer-

stört er auch den Gesellschaftsbegriff. Er kann Gesellschaft und

Staat nicht als Objektiv-Geistiges anerkennen, sondern muß alle

geistige Wirklichkeit in die In- / dividuen verlegen. Der Empiris-

mus drängt zum soziologischen Atomismus oder Individualismus.

Darum sehen wir auch überall in der Geschichte, wie die empiri-

stischen Systeme eine äußerliche und mechanische Auffassung des

Staates herbeiführen. Ebenso in der Volkswirtschaftslehre, wie die

folgenden Darstellungen zeigen werden.

B. Die P h y s i o k r a t e n

Die empiristischen Grundsätze gelangten mittels des Naturrechtes

der Aufklärung zum ersten Male zu systematischer Gestalt in der

Wirtschaftstheorie von F r a n c o i s Q u e s n a y (1694—1774)

und seiner Schule der P h y s i o k r a t e n

2

. Die Bedeutung des

1

Vgl. oben S. 43 ff.

2

Das Hauptwerk Quesnays ist: Tableau économique, Paris 1758; ferner:

Maximes generales du gouvernement économique d’un royaume agricole, Paris

1758, deutsch: Allgemeine Grundsätze der wirtschaftlichen Regierung eines acker-

bautreibenden Reiches, Jena 1921. — Die wichtigsten Anhänger der physiokrati-

schen Schule und ihrer Hauptwerke sind: J a c q u e s T u r g o t (1727—1781):

Reflexions sur la formation et la distribution des richesses, Paris 1769, deutsch:

Betrachtungen über die Bildung und die Verteilung des Reichtums, Jena 1924.

V i c t o r d e M i r a b e a u : La philosophie rurale, ou economie générale et

politique de l’agriculture, 3 Bde, Amsterdam 1763. P a u l - P i e r r e M e r c i e r

d e l a R i v è r e : L’ordré naturel et essentiel des sociétés politiques, Lon-

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