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schaftsvorgänge und der Wirtschaftsgesetze rein kausalmechanisch, genau wie es
der Begriff des ordre naturel schon bei Quesnay und später bei Smith und
Ricardo vorsah, und wie es der naturwissenschaftliche Geist jener Zeit gebieterisch
verlangte.
Der einzige grundsätzliche Unterschied zwischen Menger und Ricardo ist, daß
nun der objektiv-mechanischen Betrachtung Ricardos eine subjektiv-psychologische /
entgegengesetzt wurde, die aber nicht minder mechanistisch war. Denn obzwar
der Begriff des „Grenznutzens“ insoferne ein organisches Element enthält, als
jede Nutzung von der andern abhängt, also nicht ohne Gegenseitigkeit zu denken
ist; so wurde doch weder von Menger noch von Walras noch von Jevons dieses
Ganzheitliche, Unqualifizierbare beachtet. Nach Menger wird sowohl die s u b -
j e k t i v e Wertbildung durch einfache mechanische Multiplikation des Grenz-
nutzens mit den Stücken eines Vorrates bestimmt, wie auch die o b j e k t i v e
Wertbildung, das ist der Preis, durch das mechanische Zusammentreffen der sub-
jektiven Wertschätzungen von Käufern und Verkäufern erklärt wird.
Daß dieser letzte Versuch, die individualistische, kausalmechanische Betrach-
tungsweise in der Volkswirtschaftslehre zu retten, gescheitert ist und scheitern
mußte, habe ich in meinem Aufsatze „Gleichgewichtigkeit gegen Grenznutzen“
1
eingehend nachgewiesen. — Heute kann in Deutschland, Skandinavien und Ame-
rika die Grenznutzenschule als abgetan gelten.
Carl Menger gab gleichzeitig in seinen „Untersuchungen über die
Methode der Sozialwissenschaften“
2
die schärfste Formulierung
der Verfahrenlehre der individualistischen Wirtschaftswissenschaft.
Darum eröffnete er mit diesem Buche den Kampf mit der damals
aufblühenden geschichtlichen Schule. Dieser ist unter dem Namen
„Methodenstreit“
3
bekannt. Es sind deutlich die empiristischen
Voraussetzungen, wie sie sich etwa in John Stuart Mills „Logik“
4
finden, von denen aus Menger seine Schlüsse zieht. Daß Menger in
diesem Buche die spätere Windelband-Rickertische Unterscheidung
von generalisierender und historischer (ideographischer) Begriffs-
bildung mit kühnem Griffe bereits vorwegnahm, wird immer ein
Ruhmestitel seiner Arbeit bleiben.
Neben den Grenznutzenanhängern waren, auch in der neuesten Zeit, immer
wieder Volkswirtschaftler vorhanden, welche das Ricardische Begriffsgebäude
1
In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd 123 (Folge 3,
Bd 68), Jena 1925, S. 289 ff.; vgl. jetzt mein Buch: Tote und lebendige Wissen-
schaft, 4. Aufl., Jena 1935. — Siehe auch die kurze Kritik in meinem Buch: Die
Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage,
26. Aufl., Heidelberg 1949, S. 180 ff.
2
Leipzig 1883.
3
Näheres darüber siehe in meinen Büchern: Die Haupttheorien der Volks-
wirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage, 26. Aufl., Heidelberg 1949,
S. 165 ff., und Fundament der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., Jena 1929, S. 315 ff.
4
John Stuart Mill: System der deduktiven und induktiven Logik, übersetzt
von Theodor Gomperz, 2. Aufl., Leipzig 1884.