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trat in der Einstellung der Öffentlichkeit zur Lehre Spanns über-
haupt eine Änderung ein.
Spann stand im Jahre 1928 — dem Erscheinungsjahre der Gesell-
schaftsphilosophie — auf der Höhe der nationalen und internatio-
nalen Anerkennung. Seine in den Jahren 1911 bis 1922 geschriebe-
nen nationalökonomischen und soziologischen Werke erreichten
hohe Auflagenzahlen, und die Auseinandersetzung mit Spann war
seit dem Jahre 1920 ein bedeutendes Thema der soziologischen, na-
tionalökonomischen und auch philosophischen Diskussion. Lang-
sam formierte sich die Front der Gegner. Der Deutsche Soziologen-
tag 1926 in Wien sah schon diese Gegner in Aktion. Die Front der
Gegner reichte damals von den Marxisten bis zu Max Weber. Zu
ihnen stießen später Bundesgenossen aus dem Lager der Neutho-
,misten, und nach 1928 wirkte sich immer mehr der Einfluß des
Nationalsozialismus auf die Wissenschaft aus. Der frontale Angriff
Alfred Rosenbergs gegen Spann in seinem „Mythus des 20. Jahr-
hunderts“ war das für alle erkennbare Signal; die gewaltsame Ent-
fernung Spanns vom akademischen Lehramte an der Wiener Uni-
versität im Jahre 1938 und seine Haft im Konzentrationslager wa-
ren die Höhepunkte im Kampfe des Nationalsozialismus gegen
Spann.
Dieser Kampf gegen Spann hatte unter anderem die Folge, daß
die besonders umkämpfte „Gesellschaftsphilosophie“ nicht über die
erste Auflage hinauskam.
Nach seinem Erscheinen fand das Werk zunächst freilich große
Beachtung. Es liegen dem Betreuer noch 13 Buchbesprechungen vor,
darunter Besprechungen von Männern wie Hans Freyer, Wilhelm
Sauer, Alfred Vierkandt und Hans Krieck. Freilich war die Zustim-
mung keineswegs einheitlich. Das Werk Spanns war umkämpft.
Während der nationalsozialistischen Herrschaft durfte (mit Aus-
nahme der zweiten Auflage der „Kategorienlehre“) kein Werk
Spanns neu aufgelegt werden. Spann konnte daher erst wieder seit
dem Jahre 1945 an eine Neuauflage seiner vergriffenen Werke den-
ken. Gleich im Jahre 1945 faßte er den Plan zu einer Neuauflage
der „Gesellschaftsphilosophie“.
Hierüber schrieb er am 12. Mai 1946 an seinen Freund Universi-
tätsprofessor DDr. Hans Riehl: