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werden daher auch die wirtschaftspolitischen Forderungen sich anders ge-

stalten.

Der p o l i t i s c h e G r u n d s a t z d e s I n d i v i d u a l i s m u s ist,

weil er im Einzelnen den alleinigen Grund für den Staat sieht, die Frei-

heit des Einzelnen. — In seiner strengsten Form ist er daher A n a r c h i s -

mus (Herrschaftslosigkeit); in einer zweiten Grundform möchte ich ihn

M a c h i a v e l l i s m u s nennen (Machiavelli,

1527), das ist die Lehre,

daß der Stärkere das schwächere Individuum unterwerfen solle; in der

dritten Form ist er V e r t r a g s t h e o r i e o d e r N a t u r r e c h t , dessen

politische Abarten wieder sind: aufgeklärter Absolutismus, Liberalismus

und Demokratie

1

.

Der p o l i t i s c h e G r u n d s a t z d e s U n i v e r s a l i s m u s ist die

Gerechtigkeit, die jedem Einzelnen das ihm Angemessene gibt („austei-

lende Gerechtigkeit“). Der Universalismus geht auf die Erhaltung des

Ganzen, aber nur, weil er in diesem den Lebensboden des Einzelnen sieht,

der nur als Glied jenes Ganzen geistig-moralisches Dasein erlangen kann.

— Die besonderen Arten des Universalismus sind: der theokratische

Staats-/ begriff; die ständische Staatsauffassung

2

; der biologische Staats-

begriff (der im Staat mehr oder weniger leibhaftig einen lebendigen, über-

individuellen Organismus sieht); ferner alle anderen Lehrbegriffe, die

Bindungen, Überindividuelles verlangen, so die Schutzzollehre

3

, die So-

zialpolitik

4

, das Genossenschaftswesen. Der Sozialismus erstrebt zwar eine

durchgängige Gemeinsamkeit im wirtschaftlichen Handeln, bildet aber

theoretisch doch nur eine unorganische Mischform.

Z u s a m m e n f a s s e n d können wir den Unterschied von In-

dividualismus und Universalismus folgendermaßen bestimmen. Die

Grundfrage ist, ob jene Geistigkeit, die das Wesen des Menschen

ausmacht, von dem einzelnen Ich aus sich selbst erzeugt werde —

„Der Teil ist vor dem Ganzen“ —; oder ob diese Erzeugung nur

im Zusammenhange mit anderen Menschen, als Glied einer geistigen

Ganzheit, geschehe — „Das Ganze ist vor dem Gliede“. Jene An-

sicht, welche das Ich seine gesamte geistig-moralische Existenz rein

aus sich selber hervorbringend und damit als autarkes denkt, ist

der Individualismus; jene Ansicht, welche die geistig-moralische

Wesenheit des Ich in geistiger Gegenseitigkeit, das heißt in Gezwei-

ung a n e i n a n d e r w e r d e n d , hervorgebracht denkt, ist der

Universalismus. Der Individualismus geht auf Selbständigkeit, Frei-

heit des Einzelnen; der Universalismus auf geistige Gemeinschaft,

weil diese allein das geistige Schöpfertum des Ichs verbürgt. —

1

Vgl. Quesnay, Smith, Ricardo, unten S. 49 ff., 65 ff., 95 ff.

2

Siehe unten S. 223.

3

Siehe unten S. 151 f.

4

Siehe unten S. 192 ff.