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V.

Der Übergang zum physiokratischen System

A.

Die Kritiker des Merkantilismus. John Law

Die wirtschaftspolitischen Bindungen, die im Merkantilismus

lagen, wurden durch den Sieg des Individualismus in der Sitten-

und Staatslehre, des Rationalismus, Empirismus und Materialismus

in der Philosophie immer mehr erschüttert. In die gleiche Richtung

drängte auch die von jenen geistigen Mächten bestimmte wirtschaft-

liche Entwicklung. Handel und Großgewerbe suchten die fürsor-

gende Bevormundung des absoluten Staates abzuschütteln, und der

vernachlässigte landwirtschaftliche Stand setzte sich zur Wehr. Be-

deutsam war in Frankreich auch die stets drohende Gefahr des

Zusammenbruches der Staatsfinanzen, für die man unter anderem

die reglementierende Art des Merkantilismus verantwortlich machte.

Rasch entstanden die Kritiker.

Von diesen ist zunächst B o i s g u i l l e b e r t („La Détail de la France“,

1695) zu nennen. Er trat für den vernachlässigten landwirtschaftlichen

Stand ein, wandte sich gegen die Getreideausfuhrverbote Colberts, die

durch Herabdrückung des Getreidepreises den Ackerbau schädigten, und

gegen die Verwechslung des volkswirtschaftlichen Reichtums mit dem

Besitz von Edelmetallen. Er hob die Bedeutung und Stellung der arbei-

tenden gegenüber den nicht arbeitenden Klassen hervor. — Ebenso der

Marschall V a u b a n („Projet d’une Dime Royale“, 1707), welcher nament-

lich Reformen der direkten Besteuerung anstrebte. Vauban vertrat einen

aufgeklärten Absolutismus und forderte Fürsorge für die arbeitenden

Klassen, welche die Grundlage der gesellschaftlichen Wohlfahrt bilden. /

— Als weitere Kritiker des Merkantilismus seien noch genannt: der Ire

C a n t i 11 o n („Essai sur la Nature du Commerce General“, 1755; deutsch:

„Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen“, Jena 1931), der,

Quesnay vorwegnehmend, den Boden als die Quelle des Reichtums er-

klärte; der liberale G o u r n a y , der lange Zeit mit Unrecht als Urheber

des Schlagwortes der Physiokraten „Laissez faire, laissez passer“ galt, und

D ’ A r g e n s o n , der älteste literarische Apostel des Schlagwortes „Laissez

faire“ wie des radikalen F r e i h a n d e l s . Die Waren sollten „frei wie

die Luft und das Wasser“ über die Grenzen gehen. — In England sind

der schon genannte L o c k e , ferner D u d l e y N o r t h , P e t t y (1683)

und andere als Kritiker des Merkantilismus aufgetreten. Nach Locke ist

die menschliche Arbeit, nach Petty sind Arbeit und Boden die Haupt-

quellen des Reichtums.

Als Ludwig XIV. 1715 starb, waren die Zinsen der Staatsschuld

größer als die laufenden Einnahmen; Frankreich war tatsächlich

zahlungsunfähig. Der Regent Philipp von Orleans vertraute sich