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B e d e u t e t d i e A n w e n d u n g n a t u r w i s s e n s c h a f t -
l i c h e r M e t h o d e n a u f g e i s t e s w i s s e n s c h a f t l i -
c h e m G e b i e t e e i n e „ V e r s t ü m m e l u n g “ d e r W i r k -
l i c h k e i t
1
?
Wie uns bekannt, stützt sich Dilthey wesentlich auf die (an sich
zum Teil verdienstvolle) Sonderstellung des Ganzen der Geisteswis-
senschaften gegenüber den Naturwissenschaften als Folge der Ab-
sonderung ihrer Objekte überhaupt, dabei insbesondere auf die Un-
möglichkeit der Einordnung geistiger Tatsachen in den Naturzusam-
menhang
2
. Es ist nun durchaus die Frage, wie weit dies richtig ist,
aber wir können es unerörtert lassen. Denn die Sonderstellung der
Geistes- von den Naturwissenschaften unterliegt einer zweifachen
Betrachtung. Erstens einer erkenntnistheoretisch-o n t o 1 o gi-
sch e n, welche die Bedingungen und die Natur des Objektes der
Geisteswissenschaften betrifft. Alsdann einer erkenntnistheoretisch-
l o g i s c h e n , das heißt methodologischen, welche sich mit der
logischen Natur des Erkenntnisprozesses beschäftigt. Die erstere
können und dürfen wir ganz beiseite lassen. Ja wir müssen dies,
denn sie führt uns auf ein völlig anderes (besonders ontologisches)
Gebiet. Für uns ist vielmehr die zweite, rein methodologische Be-
trachtungsart vollkommen ausreichend. Denn es handelt sich bei
unserer Methodenfrage allgemein nicht um die Natur des Objektes,
sondern um die l o g i s c h e T a t des wissenschaftlichen Erken-
nens
3
. Wird die unterschiedliche Beschaffenheit der Objekte wirklich
1
Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, daß ich gemäß der Windelband-
Rickertschen Unterscheidung unter Naturwissenschaft im l o g i s c h e n S i n n e
immer verstehe: das kausaltheoretische („nomothetische“) Denken, welches dem
historischen („idiographischen“) gegenübersteht.
2
Ich verweise hier auf den Standpunkt von R i c h a r d A v e n a r i u s :
Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie, in: Vierteljahres-
schrift für wissenschaftliche Philosophie, Jena 1894 f., und H u g o M ü n s t e r -
b e r g : Grundzüge der Psychologie, Bd 1, Leipzig 1900.
3
Vgl. dazu Heinrich Rickert: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Be-
griffsbildung, Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften, Tübin-
gen 1902, besonders das 2. Kapitel. — Und neuestens die oben genannten Ar-
beiten Max Webers und ganz besonders F r i e d r i c h v o n G o t t l - O t t l i -
1 i e n f e 1 d s. Besonders im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik,
Bd 23, Tübingen 1906, von Max Weber: Kritische Studien auf dem Gebiete der
kulturwissenschaftlichen Logik, und von G o t t l : Zur sozialwissenschaftlichen
Begriffsbildung.