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welchem die vielen theoretischen und praktischen Fragen der neuen
Wirtschaftslehre entstanden. Der Mann, der von diesen Vorausset-
zungen aus ein neues Begriffsgebäude der Volkswirtschaftslehre
schuf, war Adam Smith.
Adam Smith (1723—1790) wurde zu Kirkcaldy in Schottland geboren,
studierte anfangs Theologie, später Philosophie und wurde schon mit
28 Jahren Professor der Logik an der Glasgower Universität. Seiner
„Theorie der moralischen Gefühle“ (1759; deutsch: Leipzig 1926) verdankte
er den Auftrag, den Herzog von Buccleugh nach Frankreich zu begleiten,
wo er 1766 von den Physiokraten wichtige Einflüsse empfing. Heim-
gekehrt, arbeitete er in völliger Abgeschlossenheit zehn Jahre hindurch
an seinen „Untersuchungen über die Natur und die Ursachen des Völker-
reichtums“, „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
Nations“ (1776; deutsch unter anderem: Jena 1923). Den größten Teil sei-
ner ungedruckten Handschriften verbrannte er vor seinem Tode. — Früher
nahm man oft an, Smith habe von den Physiokraten in Paris (1766) seine
Grundgedanken übernommen. Diese Meinung ist aber hinfällig, seit 1896
das Nachschreibeheft eines Zuhörers Smith’s herausgegeben wurde (Lec-
tures on Justice, Police, Revenue and Arms, delivered in the University
of Glasgow by Adam Smith, reported by a Student in 1763 and edited
with an Introduction and Notes by Edwin Cannan, Oxford, Clarendon
Press), das beweist, daß sein System bereits vor seinem Pariser Besuch
feststand.
1
Adam Smith erscheint in einem ähnlichen geistesgeschichtlichen
Zusammenhange wie sein Zeitgenosse Quesnay, in jenem der Philo-
sophie der Aufklärung, des naturrechtlichen Rationalis- / mus und
Individualismus. Bedeutsam ist sein Verhältnis zu dem Philosophen
David Hume (
1776), dem er auch in persönlicher Freundschaft
verbunden war. Hume, der schon vor ihm die merkantilistische
Geld- und Handelsbilanzlehre bekämpft hatte, entwickelte eine
Moralphilosophie, derzufolge die Sympathie das wichtigste Moral-
prinzip wäre
2
. Dieser Lehre schloß sich Smith an.
Sittlich ist Smithen eine Handlung, wenn sie von jedem „unpartei-
ischen Zuschauer“ gebilligt werden muß. Die Billigung beruht auf der
„Sympathie“ oder Mitempfindung (fellow-feeling). Die Sympathie wird
von Smith als eine subjektiv-psychologische Erscheinung aufgefaßt.
Gleichzeitig hängt ihm der sittliche Wert einer Handlung aber auch von
ihrer äußeren Wirkung ab, davon nämlich, ob sie gesellschaftlich nützlich
ist. (Gesellschaftlicher U t i l i t a r i s m u s . ) Da die Gesellschaft selbst
nur ein Ergebnis nützlicher Vereinbarungen ist, bedeutet das für Smith,
den Individualisten, dem der Eigennutz des Einzelnen die treibende
1
Über Smith vgl. Gustav Seidler-Schmid: Die Systemgedanken der
sogenannten Klassischen Volkswirtschaftslehre, Jena 1926.
2
David Hume: Political Discourses, 1752.