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heit aus. Denn der Wettbewerb zwingt jeden zur angestrengtesten
Entfaltung seiner Kräfte, zu möglichst billigen Herstellungskosten.
Der eine, so könnte man sagen, ist der Wächter des anderen. Alle
Schichten der Gesellschaft finden dabei ihren Vorteil: Die Verbrau-
cher werden aufs reichste mit den billigsten Gütern versorgt, die
Unternehmer können unbehindert ihre Kräfte verwerten und die
Arbeiter ihre Beschäftigung dort suchen, wo sie die beste Bezahlung
finden. Auf diese Weise wird ein Zustand der „ s o z i a l e n H a r -
m o n i e “ erreicht werden. Gleichzeitig betätigt sich dadurch jeder
auf die seinen Fähigkeiten angemessenste und natürlichste Weise. So
wird die beste volkswirtschaftliche Arbeitsteilung hervorgerufen, es
überwindet die Gesellschaft in ihrem eigenen Mechanismus den ihr
ursprünglich feindlichen eigennützigen Grundsatz und ermöglicht
jedem in der Wahrung des eigenen Vorteils die Befolgung seines
natürlichen Rechtes. — Demgemäß haben die alten feudalen Ge-
bundenheiten, die Trennung von Stadt und Land, die Absatz- und
Preisregelung, die merkantilen Gebundenheiten in Zollwesen, Mo-
nopolen, Reglementierung wegzufallen; Bauernbefreiung, Berufs-
und Gewerbefreiheit, Freizügigkeit sowie politische Freiheiten soll-
ten an ihre Stelle treten.
Insbesondere ergab sich daraus die folgenschwere Forderung
nach Zoll- und Handelsfreiheit. Smiths Theorie des Freihandels war
folgende: Bei völlig freiem Handel wird schließlich durch die Wirk-
samkeit des Wettbewerbes jedes Land jene Waren erzeugen, die es
seinen natürlichen Erzeugungsbedingungen gemäß am billigsten
herstellen kann. Es wird sich so eine natürliche zwischenstaatliche
Arbeitsteilung herausbilden, bei der jedes Volk am meisten seinen
Vorteil findet: denn es kann auf dem freien Weltmarkte am billig-
sten einkaufen, während es selber seine Erzeugnisse, die es kraft
seiner natürlichen Bedingungen dafür am billigsten herstellt, aufs
vorteilhafteste verkaufen kann. „Bei jedem klugen Hausvater ist
der Grundsatz, niemals im Hause etwas machen zu lassen, was er
billiger kaufen kann.“
1
Smith war dennoch in der praktischen Anwendung kein radikaler,
sondern gemäßigter Freihändler. Er erkannte die Berechtigung von / so-
genannten F i n a n z z ö l l e n (in der Höhe der inneren Steuern) an;
ebenso von Vergeltungszöllen gegen das Ausland, wenn dieses keine Zoll-
1
Adam Smith: Wealth of Nations, IV., 2., ebenda S. 237.