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anderen gesellschaftlichen Teilinhalten strenge absondert, das Ausschlag-
gebende. Es ist wichtig, dies festzustellen, da die später in Deutschland
aufgekommene g e s c h i c h t l i c h e S c h u l e sich im Hinblick auf den
logischen Weg der Forscherarbeit schließlich doch nur graduell durch
stärkere Anwendung des „induktiven Verfahrens“ und der geschicht-
lichen wie statistischen Betrachtung von den Klassikern unterscheidet,
nicht grundsätzlich; hingegen die abstrakte Absonderung der Wirtschaft
von den übrigen gesellschaftlichen Erscheinungen allerdings grundsätz-
lich verlassen und die volle empirische Wirklichkeit an ihre Stelle setzen
will. Und dieses letztere ist allein das Wesentliche des noch heute fort-
dauernden „ V e r f a h r e n s t r e i t e s “ ; nicht die Frage nach dem Maße
der Anwendung von Induktion oder Deduktion
1
.
Smith selbst wandte übrigens in reichem Maße das induktive Ver-
fahren an, wie er ja überhaupt seine Lehre n i c h t a l s s t r e n g e s
B e g r i f f s g e b ä u d e , sondern mehr als Nebeneinander einzelner
Theorien und Beobachtungen vortrug.
Uber die Freihandelslehre vergleiche die Seiten 111 f., 164 und öfter.
Von den späteren Gegnern Smiths haben besonders A d a m M ü l l e r
2
u n d F r i e d r i c h L i s t
3
den Guts- und Reichtumsbegriff, die Wert-
lehre und die Freihandelslehre mit Erfolg angegriffen. — Gegen den
Preisbegriff Smiths vgl. meine „Tote und lebendige Wissenschaft“, 4. Aufl.,
Jena 1935, Seite 66 ff. und 305 ff.
Weitere Kritik Smithscher Lehren siehe bei Ricardo, Seite 102 ff., ge-
schichtliche Schule, Seite 185 ff., Verfahrenstreit, Seite 188 ff., Universalis-
mus, Seite 220 ff.
B.
Die Weiterbildung der individualistischen
Volkswirtschaftslehre durch Malthus und Ricardo
Die rasche Verbreitung, welche die Lehre Smiths fand, war
mit vielfacher Um- und Weiterbildung verbunden. Fortbildungs-
versuche mußten sich vor allem darauf richten, das Arbeiterelend
und all die Mißstände zu erklären, die sich im Laufe der schnellen
Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft ergaben. Ihnen gegen-
über konnte man sich auf zweierlei Weise verhalten: man konnte
entweder an eine grundsätzliche Kritik der freien Verkehrswirt-
schaft ihre Verwerfung knüpfen: so der Sozialismus; oder man
konnte sie aus Vorgängen, die auf naturgesetzlicher Notwendigkeit
und Unvermeidlichkeit beruhen, erklären und mit pessimistischer
Entsagung hinnehmen, wobei aber die opti- / mistischen Hoffnun-
1
Schaffler-Glössl: Volkswirtschaftliche Verfahrenlehre unter beson-
derer Berücksichtigung des Verstehensbegriffes, Leipzig und Wien 1936
= GwA., Bd VI.
2
Siehe unten S. 119 ff.
3
Siehe unten S. 147 ff.