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verlangt daher vor allem „sittliche Einschränkungen“. „Offenbar ist es

die Pflicht eines jeden, nicht eher zu heiraten, als bis er Aussicht hat, seine

Kinder ernähren zu können. Gleichzeitig aber ist zu wünschen, daß sein

Verlangen nach Heirat ungemindert bleibt, damit er seine Kräfte an-

strenge ...“ Später folgerte man daraus, daß den Armen, die keine Aus-

sicht haben, eine Familie ernähren zu können, das Heiraten nicht erlaubt

werden solle.

/

Die Malthusische Lehre erregte überall Aufsehen und wurde von der

Wissenschaft fast durchwegs angenommen. Sie machte auch auf die Re-

gierungen starken Eindruck, was sich in der Folge in Verschärfungen der

Ehegesetzgebungen äußerte. Noch bis Kriegsende bestanden Reste davon

in Bayern und einigen altösterreichischen Kronländern (Tirol, Krain),

indem zur Heirat eine Ehebewilligung der Gemeinde vorgeschrieben

wurde.

In wirtschaftspolitischer Hinsicht ist weiter bemerkenswert, daß Mal-

thus nicht, wie später Ricardo, aus dem notwendigen Anwachsen der

Bodenrenten

1

eine den Grundbesitzern feindliche Stellung ableitete, son-

dern im Gegenteil für landwirtschaftliche S c h u t z z ö l l e eintrat

2

.

2 .

Die B e u r t e i l u n g d e r M a l t h u s i s c h e n L e h r e .

E i n f ü h r u n g i n d i e L e h r e v o m a b n e h m e n d e n u n d

z u n e h m e n d e n E r t r a g e

a.

Freunde und Gegner

Die Lehren Malthusens waren keineswegs ohne Vorgänger.

Schon P l a t o n , A r i s t o t e l e s , B o t e r o , M o n t e s q u i e u ,

Q u e s n a y , M i r a b e a u , F r a n k l i n , J a m e s S t e u a r t ,

O r t e s , A r t h u r Y o u n g , T o w n s e n d und andere hatten das

Mißverhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsspiel-

raum mehr oder weniger klar erkannt. Später hat D a r w i n aus

der Malthusischen Lehre die Anregungen zu seiner (allerdings fal-

schen) Lehre vom Kampfe ums Dasein geschöpft.

Unter den Gegnern Malthusens befanden sich vor allem die

S o z i a l i s t e n , ferner L i s t , C a r e y , D ü h r i n g , S p e n c e r

3

.

F r a n z O p p e n h e i m e r

4

entfachte durch heftige Angriffe auf

1

Vgl. unten S. 97 f. Ricardos Bodenrentenlehre, deren Grundgedanken

aber schon Malthus aussprach.

2

Vgl. Thomas Robert Malthus: Drei Schriften über Getreidezölle aus

den Jahren 1814 und 1815, übersetzt und herausgegeben von Leser, Leip-

zig 1896, und: Grundsätze der politischen Ökonomie, nach der 2. Auflage

übersetzt von Marinoff, Berlin 1910.

3

Siehe unten S. 89.

4

Das Bevölkerungsgesetz des Robert Malthus und die neuere Natio-

nalökonomie, Berlin 1901.